Die Ausfahrt aus Berlin zog sich durch einen Vorort nach dem anderen und wir mussten lernen, dass es rund um die Hauptstadt wohl viele Kleingarten-Enthusiasten gibt. Mit etwa 30 km auf dem Tacho waren wir dem ständigen Wechsel aus Plattenbau, Kleingarten und Villensiedlungen endlich entkommen. Mit einem dementsprechend guten Gefühl im Bauch ging es wieder durch schöne Wälder und entlang einiger kleiner Seen. Für die Nacht war Regen oder gar ein größeres Gewitter angesagt, also suchten wir einen entsprechend sicheren Zeltplatz. Aus Süddeutschland kamen schon die ersten Hochwassermeldungen, also wollten wir kein Risiko eingehen. Da wir nicht allzu viel Wasser bei uns hatten, stand zusätzlich noch ein sauberes Gewässer auf unserer Wunschliste. Beides wurde in Form einer überdachten Sitzgruppe erfüllt, die am Rande eines Kanals mit glasklarem Wasser floss. Die Überdachung schien vertrauenswürdig und so beschlossen wir, dem Zelt einen weiteren Tag Pause zu gönnen und direkt auf den Tischen und Bänken zu schlafen.
Da Jareds Isomatte nicht für gewöhnliche Sitzbankbreiten konzipiert ist, mussten wir ihn auf den Tisch in der Mitte platzieren und somit leider unsere gewohnte Schlafformation aufbrechen.
Nachdem wir uns häuslich eingerichtet und eine Erfrischung im Fluss genossen hatten, schliefen wir sicher und trocken, während der Regen auf unser Häuschen tröpfelte. Lediglich Vincents Schlafsack wurde etwas klamm, was seinem erholsamen Nachtschlaf aber keinen Abbruch tat.
Am Morgen wurden wir zu unserem Erstaunen von überraschend großen Booten (oder Yachten?) geweckt, welche den Kanal entlang schipperten. Als wir einen Schwimmer durch den Kanal pflügen sahen, mussten wir es ihm natürlich gleich tun, immer in der Hoffnung nicht von einem Boot überfahren (oder überschwommen?) zu werden.
Mit kleinen Abschiedstränen ging es auf dem hervorragend asphaltierten und ausgeschilderten Berlin-Usedom-Radweg weiter in die Uckermark. Uns wurde relativ schnell klar, dass es hier vor allem drei Dinge gab: Große Felder, noch größere Felder und riesige Windräder. Von letzteren fasziniert stellten wir die unterschiedlichsten Mutmaßungen über die Nabenhöhen der Kraftwerke an... Mit bis zu 167 Metern sind die Windräder dort tatsächlich fast doppelt so hoch wie wir geschätzt hatten!
Am Nachmittag machten wir eine Trinkpause in Steinhöfel, wo eine ältere Frau auf der Terrasse hinter ihrem Haus Radfahrer auf der Durchreise bewirtet. Neben einer breiten Auswahl gekühlter Getränke, gab es auch jede Menge Eis, ein paar Snacks und für uns die Möglichkeit, unseren Wassersack aufzufüllen. Neben ihr und ihrem Hund Blackie, lernten wir dabei noch einen Mann und seine Tochter kennen, die ebenfalls auf dem Rad unterwegs waren. Die beiden hatten gewagt, die Autorität des ausgeschilderten Radwegs zu untergraben und waren prompt mit kilometerlangen Sandwegen bestraft worden.
Nachdem wir noch in der schönen Stadt Prenzlau einkaufen waren, ging es mit bereits 80 Kilometern auf dem Tacho auf Zeltplatzsuche. In der Dämmerung waren wir begeistert von den vielen Rehen, die sich jetzt aus dem Wald wagten. Auf jedem Feld stand mindestens ein Tier, das uns erst in Schockstarre anblickte, um schließlich in weiten Sätzen davonzuspringen. Wir radelten zwischen den von Rehen besetzten Feldern durch und suchten die Agrarwüste nach einem Fleck Erde ab, auf dem unser Zelt halbwegs gut stehen würde. Leider stellte sich heraus, dass all die nicht bewirtschafteten Wiesen am Rande der kleinen Bäche deshalb frei waren, weil sie höchstens zum Reisanbau getaugt hätten. Dementsprechend blieb uns immer nur die Wahl zwischen offenen Flächen ohne Sichtschutz und halbwegs versteckten Sumpfgebieten. Wir gingen also immer wieder auf Erkundung, um dann mit nassen Schuhsohlen und enttäuscht wieder aufs Rad zu sitzen. So waren wir bald über die 100 Kilometer drüber geradelt. Müde und erschöpft hätten wir das Zelt beinahe schon mitten in einer Ortschaft an einem kleinen Weiher, oder etwas weiter im zugehörigen Spielplatz aufgebaut.
Zum Glück kamen wir noch zur Besinnung und fanden ein Wander-Highlight auf komoot, welches wir nun ansteuern konnten. Nun musste nur noch eine Schranke überwunden, einige kleine Anstiege auf dem Wanderweg hochgeschoben und letztlich in totaler Dunkelheit im Wald ein Platz mit Bänken gefunden werden. Letztlich war es fast 12 Uhr und wir hatten 108 Kilometer zurückgelegt. Während ich mich direkt ins Zelt legte und sofort einschlief, holte Jared gerade die Reste vom Mittagessen raus um den Abend noch gemütlich ausklingen zu lassen.