Wie gewöhnlich, wenn wir mal ein festes Dach über dem Kopf haben, reizten wir die Check-Out-Zeit bis auf die letzte Minute aus und radelten aus der Kulturhauptstadt Kaunas in Richtung Ukmerge raus. Wir versuchten die vermeintlichen Vorzüge der Zivilisation zu nutzen, um an einen Corona-Test zu kommen. Haben wir in Berlin noch darüber schmunzeln müssen, dass jeder Dönerladen, Antiquitätenhändler, Puff oder auch ein Lastenrad ein Testangebot hat, merkten wir, dass das in Litauen nicht ganz so einfach ist. Sowohl an der Touristeninfo als auch bei einem Testzentrum selbst, konnte man uns „so kurzfristig“ nicht weiterhelfen. Nachdem wir mit der offiziellen Hotline telefoniert hatten realisierten wir, dass es an diesem Tag nichts mehr mit einem Test wird. Etwas ernüchtert fuhren wir in Richtung Ukmerge. Leider gibt es in Litauen kaum Fernradwege und so hatten wir nach längerer Recherche online eine Navigationsroute von Vilnius nach Riga gefunden. Auf diese Route wollten wir bei Ukmerge stoßen. Auf dem Weg dorthin musste improvisiert werden. Wir schoben unsere Räder über sandige Waldwege, fuhren ein Stück Autobahn und mussten uns bei einer Brücke auf dem Gelände einer Kiesgrube dünn machen, bevor wir die vollbepackten Räder auch noch über eine Autoschranke heben mussten. Zwischendrin waren wir froh, als wir einen netten Rastplatz in einem Waldstück fanden mit sehr netten Holzskulpturen. Die Pause versüßten wir uns mit dem Olympialivestream, was mit unserer neuen tollen SIM-Karte überall möglich ist.
Gestärkt durch unsere tägliche Dosis Käsebrote ging es weiter über fragwürdige Straßen. Gegen Abend - wir waren gerade Kilometerlang auf einer Schotterpiste geradelt und jubelten über die frisch asphaltierte Straße - bemerkten wir hinter uns ein Unwetter heranziehen. Wir hatten gerade noch genug Zeit unsere Regensachen aus den Taschen zu kramen und uns abzudichten, da ergoss sich über uns schon ein Wasserfall biblischen Ausmaßes. Zum Glück dauerte es nur wenige Minuten und so fanden wir kurze Zeit später einen kleinen See etwas abseits der Route auf der Karte, den wir für ein Nachtlager ansteuern wollten und tatsächlich kamen wir an einem schönen kleinen Badesee raus. Neben vereinzelten Badegästen trafen wir auch zwei Angler an. Obwohl dies einer von hunderten kleinen Seen in dieser eher dünn besiedelten Region war, wunderte es uns nichtmehr, dass wir hier auf Angler stießen, denn folgendes haben wir auf unserer Reise bisher über den Angelsport gelernt:
- Egal wie abgelegen der Strand, die Küste oder das Ufer, egal wie klein, groß, reißend, ruhig, salzig oder süß das Gewässer, man findet Angler überall.
- Nachtruhe? Brütende Mittagshitze? Regenwetter? Egal! Geangelt wird zu jeder Zeit und zu allen Konditionen, sodass man auch mal nachts um 1 im Zelt wach wird, wenn die Angler kommen.
- Hat jemals schonmal irgendwer, irgendwo auch nur einen Fisch gefangen? Wir haben das zumindest noch nie beobachtet! ;-)
Wir sind natürlich trotzdem sehr beeindruckt von der Ruhe und Gelassenheit dieser netten Kollegen.
Wir hängten unsere Sachen zum trocknen auf und gingen - träumend von besseren Straßen - schlafen.
Am nächsten Morgen, die Angeln waren natürlich schon wieder ausgeworfen, stießen wir recht bald auf die recherchierte Route. Es war zwar kein Fernradweg im engeren Sinne, aber die Route versprach der Beschreibung nach zumindest „direkt“ und auf Asphalt zu verlaufen. Trotzdem waren die Straßen hinter Ukmerge zunächst recht stark befahren. Wie so oft in den letzten Tagen blieb uns aber keine andere Wahl, denn die Ausweichroute führte über unzumutbares Pflaster. Der Straßenlärm und die Monotonie versuchten wir uns mit Podcasts auf einem Ohr etwas erträglicher zu machen. Kurz vor Anyksciai versuchten wir trotzdem nochmal auf eigene Faust der Straße auszuweichen. Leider verwandelte sich der solide Schotterweg in einen erdig-sandigen Waldweg. Den geneigten Leser*innen werden vielleicht noch die größten Fehleinschätzungen von Jared, Katha und mir bekannt vorkommen. Auf dem Waldweg kam es dann tatsächlich auch mal zu einer eklatanten Fehleinschätzung von Moritz‘s Seite. Glücklicherweise konnten wir diese bequem aus dem Trockenen heraus fotografisch dokumentieren:
In Anyksciai fanden wir eine nette kleine Bar. Manche von uns nutzten die Pause, um bei einem Kaffee oder Bier etwas zu entspannen, wiederum andere waren einfach nur froh, ihre Schuhe trocknen zu können…
Ich freute mich besonders über das Klavier in der Bar, auf dem ich eine Runde spielen durfte - das fehlt mir wirklich enorm, unsere Miniklampfe in allen Ehren.
Hinter Anyksciai verbesserten sich die Straßen deutlich und der Verkehr nahm ab. Wir fanden wieder einen See, den wir ansteuern wollten. Dass wir mit der Idee nicht alleine waren bemerkten wir, als am Ufer ein Reisebus parkte und etwa 50 Jugendliche in einer Art Ferienlager herumtobten. Wir durften trotzdem bleiben und bekamen sogar die Feuerstelle mit Holz. Nach einer kurzen Stärkung drehten wir ein kleines Video für die deutsche Krebshilfe und Zukunft für Ugandas Kinder.