Heute morgen klingelte unser Wecker sehr sehr früh, da unsere Fähre nach Stockholm bereits um 6:30 abfahren sollte! Sogar die Gänse waren noch im Ruhemodus und hielten sich mit dem Schnattern zurück. Da wir recht weit im Norden waren, mussten wir trotzdem unser Zelt nicht in totaler Dunkelheit abbauen. Während Vincent und Jared sich darum kümmerten, kochte ich noch schnell eine Kanne Kaffee für die Fährfahrt. Nachdem wir fix unsere Sachen zusammengepackt hatten, ging es runter von der Insel und zum Fährhafen. Diesmal waren wir unter den ersten Fahrradfahrern und durften direkt am Schiff unter einem kleinen Pavillon darauf warten, dass die Autos aus Stockholm die Fähre verließen. Als das Schiff gelehrt war, konnte wir als erste rein. Mit den Rädern durften wir direkt ins zweite Fahrzeug-Deck fahren, welches wir über eine große Rampe erreichten. Von dort aus gelangten wir über eines der vielen Treppenhäuser in einen gigantischen Gang mit kleinen Kabinen, wovon eine unsere war. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle noch erwähnen, dass wir die elf Stunden Fahrt inklusive Kabine mit eigenem Badezimmer für gerade einmal 17 Euro pro Nase gebucht hatten. Bei dem Preis freuten wir uns besonders über die warme Dusche, die sich sofort einer nach dem anderen gönnte. An der Badezimmertüre hing ein etwas verwirrendes Schild, welches darauf hinwies, die Tür während einer Dusche stets geschlossen zu halten, da andernfalls der Rauchmelder aktiviert werden könnte. Wir hielten uns so einigermaßen daran… Fünf Minuten später stand ein junger Mitarbeiter der Schiffstechnik vor der Türe, mehr oder weniger bereit ein potentielles Feuer zu löschen! Glücklicherweise konnten wir ihn davon überzeugen, dass nichts brannte, bevor er seinen mitgebrachten Feuerlöscher zum Einsatz brachte.
Nachdem wir noch im gesamten Zimmer unsere Wäsche zum endgültigen Trocknen aufgehängt hatten, begaben wir uns auf das Dach des Schiffes, wo wir die Ausfahrt aus dem Hafen miterleben und unseren Übernachtungsplatz aus anderer Perspektive bewundern konnten. Am Strand waren schon wieder einige Leute, um die großen Schiffe zu bewundern. Ins Wasser hatte sich aber noch niemand getraut.
Da sich die finnische Westküste durch dutzende Kilometer breit gesprenkelte Inseln auszeichnet, gab es immer etwas zu sehen und die Fähre musste ständig recht enge Passagen und Kurven durchfahren. Nach etwa einer halben Stunde gingen wir in eines der oberen Decks, wo sich ein großer Aufenthaltsraum mit Cafeteria befand. Dort konnten wir guten Gewissens unser Frühstück – in der Kabine angerührten Porridge – essen und den vorgekochten Kaffee trinken. Einige Runden Skat später verzog Jared sich für ein Schläfchen in die Kabine, Vincent begann am Blog zu werkeln und ich nutzte die Zeit für eine große Besichtigungstour des Schiffes. Hier gab es einen großen Duty-Free-Shop, eine Menge Restaurants, eine Bar mit Live-Musik, haufenweise Spielautomaten, eine Rooftop-Bar, einen (leider geschlossenen) Spa- und Sauna-Bereich und sogar einen „Youth-Room“ mit PlayStation. Letzten Endes verbrachten wir im Prinzip den ganzen Tag in der Cafeteria, da man überall sonst etwas kaufen musste und die Preise nicht nur finnisch, sondern zusätzlich noch auf Fährenniveau waren. Mit etwas Abwechslung durch ein paar Spaziergänge über die Sonnendecks, einige Runden Fifa und Skat, sowie etwas Arbeit am Blog, ging der Tag auf der Fähre dann auch recht schnell vorbei. Zu unserer Freude stellte sich der Kaffee in der Cafeteria auch als halbwegs bezahlbar heraus, weshalb wir unser Schlafdefizit mit Koffein kompensieren konnten. Bevor wir die Fähre verließen, kaufte ich noch schnell drei Flaschen Craft-Beer im Duty-Free Shop. Uns waren die Alkohol-Preise in Schweden durchaus bekannt!
Gegen Abend erreichten wir die schwedische Küste. Auch der Weg nach Stockholm zog sich stundenlang an Inseln vorbei und durch lange Fjorde. In der Stadt kamen wir recht zentral an und waren innerhalb weniger Minuten beim königlichen Palast und fuhren entlang der Prachtbauten. Stockholm ist wirklich schön! Da die Stadt gefühlt nur aus Küstenlinien besteht, ist man ständig am Wasser und überall riecht es nach Zimtschnecken. Nach einem kurzen Stop im Supermarkt, wo wir uns ein schnelles Vesper kauften, radelten wir etwas raus aus der Stadt zu einem schönen Discgolf-Kurs. Dort wollten wir noch eine Runde spielen und dann ein paar Kilometer entfernt in einen Park zum zelten radeln – doch es sollte anders kommen! In der Dämmerung machte es viel Spaß auf dem schönen Kurs und es war auch einiges los. Als wir bereits zum zweiten mal am Abwurf des fünften Loches standen passierte es: Jared und ich hatten schon geworfen und warteten auf Vincent, der plötzlich ein ungutes Geräusch von sich gab. Auf meinen Ruf, ob alles in Ordnung sei, kam nur ein leises „Nein“ zurück. Vincent hatte den Halt verloren und war dabei von der Plattform gerutscht. Bei der Aktion wurde sein Bein ordentlich verdreht, so dass er sich den Knöchel verletzte. Da er meinte ein Knacken gehört zu haben, waren wir uns recht sicher, dass wohl irgendwas gerissen oder gebrochen war. Dementsprechend bekam der Knöchel auch recht schnell eine ungute Farbe und wurde recht dick. Mit vereinten Kräften wurde der humpelnde Vincent aus dem Wald befördert und an der Straße abgesetzt. Jared hatte schließlich die schlaue Idee, ihn mit dem Fahrrad weiter zu transportieren. Also holte ich Vincents Rad und setzte ihn drauf – Jared kam natürlich seiner Dokumentationspflicht nach.
Auf dem Rad sitzend konnte es sich ganz gut fortbewegen, da der Knöchel kaum belastet wurde. Schließlich hatten wir Glück, da nur einig hundert Meter weiter eine kleine Hütte war, die sich perfekt als Übernachtungsquartier eignete und wir dementsprechend nicht weit mussten. Dort wurde der Knöchel mit dem patentierten Wassersack-Verband gekühlt und erst einmal Essen gemacht. Während die Nudeln kochten, telefonierten wir noch kurz mit meiner Mama, um uns eine schnelle ärztliche Ferndiagnose einzuholen. Auf ihre Weisung hin, verbanden wir den Knöchel und stabilisierten ihn zusätzlich mit einem dicken Socken. Vincent bekam eine Ibuprofen gegen Schmerzen und Schwellung und wir warteten bis zum nächsten Morgen ab. Dann wollten wir entscheiden, ob es realistisch war, weiterzufahren oder wir uns etwas anderes einfallen lassen mussten.
Die Hütte war wirklich ein großes Glück, da wir hier gut versorgt waren und auch bei Regen kein Problem bekommen würden. Als wir es uns in unserer Behausung gemütlich machten, dachten wir darüber nach, wie es wohl weitergehen würde. Mussten wir kurz vor Schluss die Tour abbrechen und den Zug nach Hause nehmen? Sollten wir morgen früh direkt in die Notaufnahme gehen? Würden Jared und ich morgen Zeit haben, noch eine Runde Discgolf zu spielen?
Mit diesen schweren Gedanken im Kopf und einem beeindruckend hell erleuchteten Turm vor der Haustür schliefen wir schließlich ein.