Heute morgen erwachten wir mal wieder inmitten eines Schneckeninfernos. Unsere Kleidung, die wir am Tag zuvor noch behelfsmäßig gewaschen und zum Trocknen auf die Räder gehängt hatten war vom nächtlichen Regen noch einmal ordentlich durchgespült und mit der ein oder anderen Schneckenspur verziert worden.
Zum Glück gab uns die Sonne einen ersten guten Schwung in den Tag und so begannen wir nach Buš zu radeln. Nachdem uns der Anstieg noch vor dem Frühstück ordentlich ins Schwitzen brachte belegten wir den Dorfplatz mit all unseren sieben (oder siebenhundert?!) Sachen und kochten uns Frühstück und Kaffee. Während wir unseren Porridge löffelten kam ein älterer Herr auf uns zu und begann eine Unterhaltung. Es stellte sich schnell heraus, dass er fehlerfreies Deutsch sprach und sehr interessiert an unserer Tour war. Nachdem wir ihm von den bisherigen Abenteuern der Tour erzählt hatten, fragte er, ob wir noch Interesse an einem weiteren Abenteuer hätten: Nämlich einer Besichtigung seiner Hauskatze - einer ausgewachsenen Pumadame. Während wir noch über die Seriosität dieses Angebots nachdachten erklärte er uns, dass es bereits seit langem der Traum seiner Frau gewesen sei, sich eine „größere“ Katze zuzulegen.
Kurz darauf sahen wir uns in einem uralten Steinhaus, einem ehemaligen Getreidespeicher, welchen das Paar zum Wohnhaus umgebaut hatte und folgten dem Hausherr vorsichtig in Richtung Garten. Insgeheim befürchtete ich, jederzeit von einer Wildkatze angefallen zu werden und war entsprechend froh, als ich im Garten einen großen Käfig erspähte in dessen Eck ein wunderschöner, etwa 60kg schwerer Puma lag. Er kam direkt auf uns zu und wurde uns als Mila vorgestellt. In der folgenden Stunde quetschen wir die beiden Pumabesitzer fleißig aus und lernten so einiges über die Pumahalterei.
In Tschechien ist es tatsächlich legal, sich Großkatzen zu halten, solange einige recht strenge Auflagen eingehalten werden. Beispielsweise ist sehr genau beschrieben, wie groß der Käfig sein muss, welche Einrichtungsgegenstände vorhanden sein müssen und dass sämtliche Schweißnähte nach außen zeigen müssen (damit sich die Katze nicht schneiden kann). Das ganze wird einmal jährlich kontrolliert und Mila muss regelmäßig einem spezialisierten Tierarzt vorgestellt werden. Zur Sicherheit wurden ihr kurz nach der Geburt unter Narkose die Vorderkrallen gezogen - das hätte man mir auch sagen können bevor ich sie etwas verängstigt gekrault habe.
Wenn gerade kein Besuch da ist darf Mila überall frei herum laufen und kuschelt sich abends auch mit ins Ehebett. Beeindruckt wurde uns geschildert, dass man oft von ihr überrascht würde, da Pumapfoten wohl das absolut lautlose Bewegen durch das Haus ermöglichen.
Bei der anschließenden Führung durch das beeindruckende Steinhaus erzählte uns unser Gastgeber seine Lebensgeschichte. Geboren und aufgewachsen in Deutschland hatte er dann in den USA gearbeitet um schließlich wieder zurück nach Europa zu kommen, wo er seine Frau kennengelernt und das Haus gekauft hatte. Mit seinem Aufenthaltsort wechselte auch immer sein Vorname, so wurde er als Wieland geboren, in den USA William (aka Billy) genannt, um dann in Tschechien von seiner Frau Otto gerufen zu werden.
Nachdem wir Kontaktdaten ausgetauscht und uns ausgiebig verabschiedet hatten, ging es wieder auf die Drahtesel und in Richtung Praha.
Entlang der Moldau konnten wir recht entspannt rollen und kamen so pünktlich um 14:00 an unserem Hotel an. Im Waschsalon frischten wir noch unsere Garderobe auf und es ging ab ins Irish Pub zum Spiel der deutschen Mannschaft gegen die Engländer. Schon kurz nach Betreten des Pubs wurde uns schnell klar, dass wir als Fans der deutschen Mannschaft hier eher in der Unterzahl waren. Im letzten Eck, umzingelt von sehr emotionalen Iren und Briten, die allesamt zwischen uns und dem Ausgang standen, beschlossen wir im Falle eines deutschen Tores eher verhalten zu jubeln. Das Spiel wurde im britischen Fernsehen mit der Expertise von den alten Hasen Rio Ferdinand und Jürgen Klinsmann begleitet. Als dann das erste englische Tor fiel und das Guinness durch die Luft flog wünschten wir uns ein wenig zu unserem zahmen Puma zurück. Zur Tarnung klatschten wir ein wenig mit und versuchten insgesamt möglichst britisch zu wirken. Nachdem der Sieg der Engländer sicher war wandelte sich auch die Anspannung zu fröhlicher Geselligkeit und so konnten wir das Pub sicheren Schrittes verlassen.