Anfängerglück
von Jared Faißt
am 31.05.2021
Start
Borgo Grappa
🇮🇹 Italien
Ziel
Rom
🇮🇹 Italien
Strecke
92,55
km

Heute hatten wir mal wieder eine Menge vor. Leider hatte Vincent‘s iPad (was wir nutzen, um den Blog zu betreiben) einen Riss im Bildschirm bekommen ohne Fremdeinwirkung und die 1-Jahr Garantie läuft tatsächlich in genau 5 Tagen ab. Daher wurde schleunigst der nächste Apple Store in Rom anvisiert. In Rom selbst wurde auch gleich ein Camping Platz für 2 Nächte gebucht, damit wir uns noch einen freien Tag in dieser imposanten Stadt genehmigen können. Dank wegfallender Schlafplatzsuche konnte der Tag dann auch etwas entspannter angegangen werden. Die erste Lektion, die wir aber an unserem heutigen Schlafplatz am Strand vor Latina gelernt haben ist

Sand ist nicht gleich Sand!

Bisher hatten wir recht erfolgreich an Stränden genächtigt, ohne größere Probleme mit den Sandkörnern zu bekommen. Jedoch war der Sand bisher auch meist eher grobkörnig, was die Entledigung dieser Steinchen vorm Zelteinstieg natürlich enorm erleichtert. Dieses Mal mussten wir feststellen wie zäh sehr feiner Sand in dieser Hinsicht sein kann. Wir haben ihn kaum von unseren Töpfen klopfen können und auch nicht von unseren Füße anständig abgerubbelt bekommen.. der Sand war einfach überall. Wir sind daher am Morgen direkt zum benachbarten See rübergerollt, um dort die sandigen Sachen noch einigermaßen zu reinigen und mit dem übrig gebliebenen Wasser noch ein Porridge zu richten. Gestärkt und halbwegs sauber ging es dann los durch Latina weiter Richtung Rom. Ziemlich genau auf halber Strecke legten wir die Mittagsrast ein. Wir wählten recht willkürlich einen Parkplatz neben einer maroden Halle, bei der ein Baum etwas Schatten spendete. Wie üblich mittlerweile wurde Tomaten mit Knoblauch auf angebratenem Baguette gevespert. Ab und an konnte man ein seltsames Knallgeräusch in der Halle vernehmen. Als wir einen vorsichtigen Blick durch die Gitterfenster warfen, erkannten wir auch ein paar Kugeln darin, mit denen geworfen wurde und es erinnerte stark an das Spiel Boule.

Espresso schlürfen in der Bocce Halle

MVP des Tages: Präsident

Nachdem wir uns satt gegessen hatten und gerade zusammengepackt haben, kam ein Mann heraus und erkundigte sich nach unserer Reise. Ich erklärte ihm, wieviel Kilometer wir so täglich machen und was heute noch ansteht und das geht mittlerweile komischerweise auch auf „italienisch“ ganz gut. Der Schlachtplan für solche Konversationen ist dann immer fieberhaft zu versuchen, Wörter aufzuschnappen, die es im spanischen, französischen oder Latein gibt und sich dann zusammenzureimen, was dem Gegenüber wohl gerade durch den Kopf schwirrt. Er bot uns anschließend einen Espresso in der Vereinshalle an und erklärte uns, dass es sich hier um Bocce handelt (deutsch gesprochen: Bodschia.. oder so). Die ganzen Trophäen auf den Regalen und das professionelle Equipment deuteten daraufhin, dass es sich nicht (wie ich dachte) rein um einen Aldi-Aktions Sport handelt, der sonst immer beim Campingurlaub zu finden ist. Die Bahn beim Bocce misst in etwa 30m mal 3m und besteht aus asphaltiertem Untergrund. Unsere Lust auf eine Runde zocken war uns wohl anzusehen und schließlich forderte der Präsident uns dann auch zu einer Runde heraus. Wir waren anfangs erstaunt wie wenig Schwung der Kugel mitgegeben wird, aber sie rollt natürlich auch umso besser auf dem harten und ebenen Untergrund. Nun war es also an uns seiner ersten Kugel nachzuziehen. Während Katha wohl noch zu viel Power in den Armen hatte, hat Vincent sich schon deutlich besser angenähert. Ich durfte dann als Abschluss der ersten Runde meine Kugel werfen und wurde eine halbe Sekunde nach Abwurf direkt mit Bravos des Präsidenten gelobt, der sicher schon mit all seiner Erfahrung direkt wusste, dass ich tatsächlich näher an die kleine Kugel kommen werde. Stolz forderte ich natürlich sofort ein Foto ein. Mein direkter Triumph hat ihn wohl aber auch etwas gekränkt und er murmelte etwas von „Fortuna ...“, was vermutlich irgendwas mit Anfängerglück meinte.

Schnell holte er die Kugeln wieder zurück und zwang uns zu einer zweiten Runde. Dieses mal hatten wir alle etwas weniger Fortuna und die Nervosität trieb die Kugeln dieses Mal deutlich weiter nach hinten. Feiernd nötigte er mich dazu, auch davon ein Bild zu machen... also hier ist auch das zweite Resultat.

Anschließend verabschiedeten wir uns von ihm und machten uns auch die zweite Hälfte der heutigen Etappe. Der Verkehr nahm immer mehr zu und irgendwann waren wir dann tatsächlich am Ortsschild von Roma. Wir hielten kurz inne und waren allesamt sehr happy, diesen Meilenstein erreicht zu haben. Wir steuerten dann ziemlich direkt den Apple Store an, um, wenn möglich, Vincent‘s iPad noch umzutauschen. Angekommen vor der rieseigen Mall, versuchte Vincent alles ihm mögliche zu tun, um sich vom verlotterten Reiseradler in einen seriösen Applekunden zu transformieren, dem man abnehmen konnte, dass er pfleglich mit seinem Equipment umging. Wir taten unser bestes und legten unsere schicksten Sachen zusammen. Vincent bekam meine beste Hose mit nur einem Fleck, festes Schuhwerk, Fingernägel wurden nochmal geschnitten und das Halstuch wurde lieber versteckt. Seriös sahen wir immer noch nicht aus, aber unsere Chancen standen sicherlich schon etwas besser. In der Mall musste zuerst der Apple Store gefunden werden. Wir wurden nach einer Weile rumlaufen auch fündig und begegneten dort unserem 2. MVP des Tages:

MVP 2 des Tages: Apple Mitarbeiter

Ohne Termin und obwohl bis am nächsten Tag auch kein Zeitslot mehr frei gewesen wäre hat ein gnädiger Apple Mitarbeiter uns doch noch unserem Problem angenommen und das iPad direkt ersetzt. Wir alle, aber vor allem Vincent war sehr erleichtert, da eine Displayreparatur eigentlich schon Totalschaden bedeutet bei diesem Gerät.

Wir steuerten mit letzten Kräften den Campingplatz in Rom an und bezogen dort nach zuvor 3 Strandnächten mal wieder ein kleines Bungalow. Am nächsten Tag wollen wir die Räder mal wieder ruhen lassen und uns Rom anschauen gehen.

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