Am nächsten Morgen erwartete uns eine böse Überraschung: Eine Zeltstange war an einer Stelle gebrochen. Vincent recherchierte gleich, ob es für unser nicht ganz billiges Zelt Ersatzteile gibt. Leider war das nicht so einfach herauszufinden, aber wie der Zufall es wollte, befand sich auf unserer heutigen Strecke ein Salewa Outlet Store (Unser Zelt ist von Salewa). Dieser wurde zugleich angesteuert. Er befand sich in einem edlen Openair Einkaufszentrum, wo sogar die Parkbänke gepolstert waren, die neben einem spießigen Springbrunnen standen. Gerade wollte ich mich auf eine dieser einladenden Sitzgelegenheiten niederlassen, schon kam eine Sicherheitskraft und zitierte uns mit den Fahrrädern vor die Tore des Einkaufsparadieses. Zeltstangen gab es auch nicht. Auf ganzer Linie ein Flop. Ein Telefonat mit dem Salewa Kundenservice stellte uns zum Glück in Aussicht, dass wir eventuell in Bozen eine Ersatzstange bekommen könnten. Hoffentlich klappt das.
Lustigerweise kreuzten wir auf dem Weg zu dieser Mall noch einen für unseren Geschmack leblosen und eher siffigen Kanal. Jedoch saßen dort dutzende Angler, die mit etwa 20m Ruten irgendwie das Wasser pflügten. Es sah aus wie ein Wettbewerb. Wir schauten ein paar Minuten zu aber einen Fisch haben wir nicht gesehen.
Die Fahrradroute, die wir insgesamt bis dato gefahren sind, haben wir mehr oder weniger deshalb so gewählt, weil sie Teil des Europaradnetzes ist. Genauer ist die Strecke der südliche Teil des Eurovelo 7, der von Sizilien zum Nordkap führt. In der Planung habe ich mich noch dafür ausgesprochen, dass wir bestimmt keine Navigation brauchen, weil es auf einem Europaradweg ja sicherlich genug Schilder geben wird. Und im Zweifel kann man ja eine Karte mitnehmen. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich überstimmt wurde. Denn auf über 1000 km Strecke haben wir kein einziges Schild gesehen, was andeutet, dass wir uns auf dem Eurovelo 7 befinden. Wir haben zwischendurch schon überlegt, ob wir selbst mal Schilder aufstellen sollen. Doch nun endlich kam die Bestätigung, dass wir uns nicht verfahren hatten (siehe Bild).
Die ersten Schilder, die uns den Weg weisen und beschriftet sind mit „Eurovelo 7“. Kurz waren wir verwundert, weil wir uns an diesem Tag wohl auch mal auf dem Eurovelo 8 befanden, der hier den Eurovelo 7 kreuzt. So fuhren wir nun den Fahrradschildern hinterher. Dieser neu gewonnen Luxus hatte auch seine Schattenseiten. Denn Fahrradweg ist nicht gleich Fahrradweg. Teilweise lobten wir den Fahrradweg in den Himmel und eine Minute später verwandelte sich der perfekt geteerte Weg in eine Schotterpiste. Na toll. Ich durfte mir nicht anmerken lassen, dass mich der Kiesweg nervt. Denn schließlich hatte ich als einzige in unserer Gruppe ein Gravelbike und „Gravel“ heißt „Schotter“. Also eigentlich ein Heimspiel für mein Fahrrad. Wir stellten die Parallele von Gravelbikes zu SUVs her: Eigentlich ausgelegt fürs Gelände. Wegen Style gekauft. Nur auf der Teerstraße verwendet.
Vincent ließ es sich umso mehr anmerken, dass ihn die Strecke gerade nervt und so beschlossen wir, nicht blind den Fahrradschildern hinterherzufahren. Es war also eine ständige Vertrauensfrage: trauen wir eher den Schildern oder Komoot (unserem Navigationssystem)? Denn auch Komoot macht machmal ganz seltsame Dinge, was Jared meist mit „Die Kommode ist schon wieder besoffen“ kommentiert. So fuhren wir manchmal den Fahrradweg entlang und manchmal die Straße.
Abends buchten wir uns für eine Nacht auf einem Campingplatz am Gardasee ein. Hier ist es nur sehr schwer möglich, einen schönen Platz zum schlafen außerhalb eines Campingplatzes zu finden, da die Touristendichte sehr hoch ist. So konnten wir einen schönen Abend am See genießen, schwimmen und einen Aperol Spritz in der Strandbar schlürfen.