Auf Opas Spuren
von Jared Faißt
am 21.07.2021
Start
Dabrowa
🇵🇱 Polen
Ziel
Lidzbark Warminski
🇵🇱 Polen
Strecke
64,95
km

Heute stand eine für mich ganz besondere Etappe bevor, wir erreichten Pienieszno, oder wie es zu preußischen Zeiten hieß: Mehlsack. Dies ist der Geburtsort meines Großvaters Gerhard Wichert. Es lag tatsächlich erst etwa 10 Tage zurück, als wir zwischen Berlin und Anklam ein wenig über die polnische Route nachdachten und Vincent mich dabei fragte, wo denn nochmal mein Opa herkäme. Schließlich war es dort bereits ersichtlich, dass wir Kaliningrad umfahren müssen und daher auch noch andere Ziele in Polen ansteuern könnten. Als ich Mehlsack antwortete, war Moritz ganz baff, denn seine Großeltern kommen auch von dieser Gegend, was ein Zufall! Während wir also weiterradelten ließen wir noch einmal zuhause Informationen zusammensammeln und übergaben sie Jolla (Vincents Mutter). Dank ihrer polnischen Muttersprache und Engagement konnte sie uns einen Kontakt im Standesamt in Mehlsack herstellen. Dort gibt es tatsächlich noch wenige Bücher mit Geburtseinträgen aus dem Zeitraum 1920 - 1938.

Wir kontaktierten dann Frau Boncal und vereinbarten, dass wir um 13 Uhr vorbeikommen würden. Sie spricht zu unserem Glück sogar wirklich gutes Deutsch, sie hatte ein paar Jahre in Aachen gelebt und studiert. Wir ließen den Vormittag gemütlich angehen und genossen den sehr wild belassenen Campingplatz. Wir waren nur noch 20km von Mehlsack entfernt und so ließ ich die Gedanken etwas schweifen… ob wohl Uroma Hedwig und Uropa Andreas auch Ausflüge hierher gemacht haben? Das werde ich zwar leider nicht mehr herausfinden, aber vielleicht finden wir ja noch andere Informationen. Zuerst zur Übersicht hier meine Situation und die Charaktere, um die es geht:

  • Uropa Andreas Wichert, geboren 1920, verstorben 1942 im Krieg (1. Bild)
  • Uroma Hedwig Reiß, geboren 1920 in Peterswalde nahe Mehlsack (2. Bild links)
    • Hatte noch viele weitere Geschwister, unter anderm einen Paul, eine Agathe und Anna… weiteres ist nicht bekannt, außer dass es eher viele sind.

Die beiden hatten dann 3 Kinder

  • Mein Opa Gerhard Wichert, geboren 1941 in Mehlsack, verstorben 2011 in Waldmössingen (3. Bild ganz rechts)
  • Bruder meines Opas Bernhard Reiß, geboren 1936 in Mehlsack, verstorben in Waldmössingen
  • Opas Schwester Helga,, 1942 geboren aber früh verstorben

Meine Hoffnung war in erster Hinsicht Wichert oder Reiß überhaupt zu finden und wenn möglich dies auch noch zu meinem Stammbaum verknüpfen. Wir freuten uns aber hauptsächlich überhaupt mal in solche Akten einsehen zu können. Und so wurden wir dann von Frau Boncal wie vereinbart empfangen und sie gab uns 9 Bücher heraus, die noch in Mehlsack verblieben sind. Sie sagte, der Rest sei entweder im Krieg verbrannt worden oder befindet sich auch zum Teil in einer zentralen Aktensammlung. Wir bekamen zuerst das Buch der Geburteneinträge von 1920. Das Alter war diesem Stück gut anzusehen, aber die Schrift war meist sehr gut erhalten, wenn auch sauschwer zu entziffern. Diese Schriftart ist uns leider nicht allzu geläufig und so hatten wir gut zu kämpfen, die Namen, Berufe und Daten ausfindig zu machen. Wir mussten aber garnicht lange suchen da kam schon der erste Wichert.

Und zwar war wohl zu dieser Zeit ein Wichert im Rathaus tätig, der öfter die Einträge übernahm, aber ständig unterzeichnete mit: ‚In Vertretung: Wichert‘. Die Schrift war ähnlich wie bei mir sehr lausig, aber sonstige genetischen Übereinstimmungen ließen sich hier nicht weiter ausfindig machen. Es dauerte ebenfalls nicht lange, da kamen auch die ersten Wicherts und Reiß‘ auf die Welt. Da es sich um das Jahr 1920 handelte, konnte maximal Hedwig infrage kommen, jedoch war sie wie bereits erwähnt im Kreis Peterswalde auf die Welt gekommen. Sie hatte jedoch viele Geschwister. Aufmerksam wurde ich dann bei folgender Familie. Paul Reiß und Rosa Reiß hatten in den Jahren 1922, 1924, 1926 die Kinder Elfriede, Maria und Erna auf die Welt gebracht. Ob sie verwandt mit Hedwig sind, konnte ich leider bisher nicht klären.

Der Hunger bestellt mit

Ein weiterer trauriger Aspekt der Akten waren auch die häufig vermerkten Todesdaten der gefallen Soldaten, die in die Geburtsurkunde mit einem Hakenkreuzstempel versehen eingetragen waren. Dies war vor allem im Buch von 1920 und 1922 zu sehen, diese Mönner wurden also meist nicht älter als 22; eine schlimme Vorstellung. Nachdem wir die Öffnungszeit maximal ausgereizt haben und alle Bücher durchgeschaut hatten verabschiedeten wir uns wieder von Frau Boncal und gingen auf Empfehlung in eine nahegelegene Pizzeria, wo wir mit zu viel Hunger im Bauch uns zu 2 übergroßen Pizzen (50cm) und einer normalen Pizza (30cm) hinreißen ließen. Die Bedienung nahm die Bestellung zwar mit staunenden Augen entgegen, jedoch blieb tatsächlich von den Pizzen nichts übrig. Wir waren dennoch maßlos überfressen. Wir quälten uns dann noch einige Kilometer weiter Richtung Lidzbark Warminski (ehemals Heilsberg), wo wir weitere Spuren suchen wollen… und zwar von Moritz (eigentlich Franz) Spannenkrebs.

Kommentare