#Berlin Usedom Radweg
von Jared Faißt
am 11.07.2021
Start
Pasewalk
🇩🇪 Deutschland
Ziel
Anklam
🇩🇪 Deutschland
Strecke
75,95
km

Die Nacht war super erholsam im Wald. Die dichten Bäume schützten uns sehr gut vor den frühen Sonnenstrahlen uns so schliefen wir sogar bis 9 Uhr. Der Radweg war anfangs sehr schön zu fahren und die Vorfreude auf die Ostsee war so groß, dass wir direkt in Bademontur radelten. Das Gewässer ließ jedoch noch auf sich warten.

Vorfreude auf Ostsee

Speziell die letzten Kilometer bis nach Anklam waren dann doch noch einmal eine Herausforderung. Der Weg wurde immer holpriger. Anfangs noch ein Feldweg zwischen Seen und Tümpel begann der Weg zunehmend aus komisch geformten Betonplatten zu bestehen. Das schüttelte ordentlich alles durch und war nach einigen Kilometern auch sehr zermürbend. Erleichtert erreichten wir schließlich Anklam, wo wir einen Wander und Wasserrastplatz ansteuerten. Dieser liegt direkt an dem Fluss Peene und beherbergt Radfahrer, Kayak-Wanderer sowie Bootsbesitzer oder auch sonstige Campingfreunde. Mit etwas wenig Cash ausgestattet ließ der Chef der Anlage auch unsere letzten 10 Euro in Bar als Schlüsselkaution durchgehen.

Das WLAN auf der Wiese funktionierte vorzüglich und so genehmigten wir uns noch ein paar Biere und freuten uns riesig auf das EM-Endspiel. Wir setzten uns zunächst auf eine Bank und starteten den Kocher (für Pasta mit roten Linsen und Tomatensauße) sowie das iPad für die Vorberichterstattung. Während wir gemütlich zu essen begannen und das Spiel die ersten Minuten lief, kamen auch schon interessierte Mitcamper vorbei. Zuerst kamen die Radreisenden Micha und Hanne aus der Eifel stammend vorbei. Die beiden sind trotz ihres Rentenalters unglaublich fit auf ihren Trekkingrädern durch Deutschland unterwegs. Wir tauschten uns noch über unsere Reisen aus, als bereits die ersten 20 Minuten des Spiels dahin strichen. Die beiden hatten viel aus ihrem Leben zu erzählen. Mitunter das lustigste war als Micha erzählte, wie er das Rauchen aufgehört hatte. Er hat wohl 45 Jahre seines Lebens geraucht, bis er an einer recht schweren Bronchitis erkrankte. Nach 7 Wochen war diese wohl überstanden und danach vergaß er einfach das Rauchen. Als es ihm mal wieder einfiel hat er sogar noch versucht wieder anzufangen aber es schmeckte ihm einfach nicht mehr. Wir konnten es kaum glauben. Mittlerweile gesellten sich noch ein Kayak-Reisender, ein Radreisender, der Chef der Camping Anlage, sowie der örtliche Hafenmeister in die Runde und wir alle schauten mehr oder weniger konzentriert wie Italien versuchte, den frühen Rückstand wettzumachen. Wie zitierte Micha so treffend: ‚Fußball ist die schönste Nebensache der Welt.‘ Das trifft ihn diesem Falle total zu.

‚Fußball ist die schönste Nebensache der Welt‘
Die passenden EM-Getränke

Der überaus sympathische Hafenmeister brachte dann sogar noch Biernachschub und verlegte die Kabeltrommel, damit der Strom nicht versiegte. Ebenfalls wurde noch ein Feuer gestartet für die Atmosphäre, besser könnte so ein EM-Finale nicht laufen. Die Verlängerung im Spiel übertrug sich auf den Abend und so plauderten wir noch eine ganze Weile mit den Mitreisenden, bevor es dann zu Bett ging.

Am nächsten morgen brauchte jeder vermutlich etwas länger als sonst. Ich war zwar recht früh auf, Moritz und Vincent waren aber noch tief am schlafen. Schließlich kamen auch Micha und Hanne aus ihrem Zelt und Micha murmelte in seinem Eiffelaner Dialekt: ‚Isch weiß auch nit so recht aber isch bin noch net so ganz bei mir‘. Die beiden waren dennoch recht zügig wieder abfahrtbereit und so verabschiedeten wir uns von ihnen. Ihre Tochter und Enkel wohnen sogar in Freiburg, vielleicht kommt es also zu einem Wiedersehen. Wir wünschen den beiden eine weiterhin gute Reise!

Micha und Hanne: #Rentnergoals ;-)

Glücklicherweise hatten wir an diesem Tag auch nicht mehr viele Radkilometer geplant, denn wir hatten zur körperlichen Abwechslung Paddeln im Kanadier auf der Tagesordnung. Der Hafenmeister ermöglichte uns dies noch zu einem Freundschaftspreis und so paddelten wir zuerst die Peene stromaufwärts, bis wir einen kleinen Hafen/Rastplatz erreichten. Dort wurde dann das mitgenommene Proviant verschlungen. Als wir uns etwas sicherer fühlten mit der Nussschale (gerade bei Ein und Ausstieg), wurde dann auch gebadet und Haare gewaschen. Wir paddelten dann zwar wieder Strom-abwärts, jedoch war bei diesem fast stehenden Gewässer der Wind entscheidender und der blies in die andere Richtung. Dann hieß es nochmal kräftig reinpaddeln und wir erreichten gegen Nachmittag dann wieder den Heimathafen (Paddelroute wurde übrigens auch mitaufgezeichnet, siehe nächste Tagesetappe).

Nun ging es wieder mit den Rädern weiter und da sich die Anzahl an Radgeschäften (und Städte generell) langsam ausdünnte, wurden in Anklam noch einmal die Räder aufgerüstet. Bei meinem Rad waren die Mäntel langsam mehr als durch. Die spröden Stellen im Gummi beherbergten schon ordentliche Mengen an Sand, der kaum abzulösen war. Auch Vincent und Moritz hatten dieses Problem, jedoch nur hinten. Und so wurden 4 Mäntel gekauft, ein Fahrradständer für Moritz, Bremszüge und einen Seitenschneider. Bei der nächsten Pausegelegenheit wurde dann das Gekaufte auch direkt eingebaut. In solchen Momenten freut es einen auch innerlich, dass es sich gelohnt hat, auch einen 8er Inbus Schlüssel (für den Ständer) und einen Bremszugmantel bereits seit 4000 km im Gepäck mitgeschleppt zu haben. Eine Stunde später stand dann Moritz Fahrrad wieder wie eine eins und die Hinterbremse von Vincent ging nach Loslassen des Bremshebels auch wieder auf.

Alle Mäntel waren montiert und so ging es entlang des Haffs bis nach Usedom. Dort schliefen wir in einem schönen Nadelwald. Der Untergrund war so gut bemoost, dass Moritz das Aufblasen der Matratze wegließ. Morgen geht es dann schließlich nach Polen und dort wird es dann erstmal heißen: Richtung Osten!

von Moritz Spannenkrebs
am 10.07.2021
Start
Eichhorst
🇩🇪 Deutschland
Ziel
Pasewalk
🇩🇪 Deutschland
Strecke
108,53
km

Die Ausfahrt aus Berlin zog sich durch einen Vorort nach dem anderen und wir mussten lernen, dass es rund um die Hauptstadt wohl viele Kleingarten-Enthusiasten gibt. Mit etwa 30 km auf dem Tacho waren wir dem ständigen Wechsel aus Plattenbau, Kleingarten und Villensiedlungen endlich entkommen. Mit einem dementsprechend guten Gefühl im Bauch ging es wieder durch schöne Wälder und entlang einiger kleiner Seen. Für die Nacht war Regen oder gar ein größeres Gewitter angesagt, also suchten wir einen entsprechend sicheren Zeltplatz. Aus Süddeutschland kamen schon die ersten Hochwassermeldungen, also wollten wir kein Risiko eingehen. Da wir nicht allzu viel Wasser bei uns hatten, stand zusätzlich noch ein sauberes Gewässer auf unserer Wunschliste. Beides wurde in Form einer überdachten Sitzgruppe erfüllt, die am Rande eines Kanals mit glasklarem Wasser floss. Die Überdachung schien vertrauenswürdig und so beschlossen wir, dem Zelt einen weiteren Tag Pause zu gönnen und direkt auf den Tischen und Bänken zu schlafen.

Traumschlafplatz

Da Jareds Isomatte nicht für gewöhnliche Sitzbankbreiten konzipiert ist, mussten wir ihn auf den Tisch in der Mitte platzieren und somit leider unsere gewohnte Schlafformation aufbrechen.

Nachdem wir uns häuslich eingerichtet und eine Erfrischung im Fluss genossen hatten, schliefen wir sicher und trocken, während der Regen auf unser Häuschen tröpfelte. Lediglich Vincents Schlafsack wurde etwas klamm, was seinem erholsamen Nachtschlaf aber keinen Abbruch tat.

Traumschlafplatz mit unserer Einrichtung bei Nacht

Am Morgen wurden wir zu unserem Erstaunen von überraschend großen Booten (oder Yachten?) geweckt, welche den Kanal entlang schipperten. Als wir einen Schwimmer durch den Kanal pflügen sahen, mussten wir es ihm natürlich gleich tun, immer in der Hoffnung nicht von einem Boot überfahren (oder überschwommen?) zu werden.

Mit kleinen Abschiedstränen ging es auf dem hervorragend asphaltierten und ausgeschilderten Berlin-Usedom-Radweg weiter in die Uckermark. Uns wurde relativ schnell klar, dass es hier vor allem drei Dinge gab: Große Felder, noch größere Felder und riesige Windräder. Von letzteren fasziniert stellten wir die unterschiedlichsten Mutmaßungen über die Nabenhöhen der Kraftwerke an... Mit bis zu 167 Metern sind die Windräder dort tatsächlich fast doppelt so hoch wie wir geschätzt hatten!

Am Nachmittag machten wir eine Trinkpause in Steinhöfel, wo eine ältere Frau auf der Terrasse hinter ihrem Haus Radfahrer auf der Durchreise bewirtet. Neben einer breiten Auswahl gekühlter Getränke, gab es auch jede Menge Eis, ein paar Snacks und für uns die Möglichkeit, unseren Wassersack aufzufüllen. Neben ihr und ihrem Hund Blackie, lernten wir dabei noch einen Mann und seine Tochter kennen, die ebenfalls auf dem Rad unterwegs waren. Die beiden hatten gewagt, die Autorität des ausgeschilderten Radwegs zu untergraben und waren prompt mit kilometerlangen Sandwegen bestraft worden.

Hier werden im Hinterhof Getränke an Radfahrer verkauft

Nachdem wir noch in der schönen Stadt Prenzlau einkaufen waren, ging es mit bereits 80 Kilometern auf dem Tacho auf Zeltplatzsuche. In der Dämmerung waren wir begeistert von den vielen Rehen, die sich jetzt aus dem Wald wagten. Auf jedem Feld stand mindestens ein Tier, das uns erst in Schockstarre anblickte, um schließlich in weiten Sätzen davonzuspringen. Wir radelten zwischen den von Rehen besetzten Feldern durch und suchten die Agrarwüste nach einem Fleck Erde ab, auf dem unser Zelt halbwegs gut stehen würde. Leider stellte sich heraus, dass all die nicht bewirtschafteten Wiesen am Rande der kleinen Bäche deshalb frei waren, weil sie höchstens zum Reisanbau getaugt hätten. Dementsprechend blieb uns immer nur die Wahl zwischen offenen Flächen ohne Sichtschutz und halbwegs versteckten Sumpfgebieten. Wir gingen also immer wieder auf Erkundung, um dann mit nassen Schuhsohlen und enttäuscht wieder aufs Rad zu sitzen. So waren wir bald über die 100 Kilometer drüber geradelt. Müde und erschöpft hätten wir das Zelt beinahe schon mitten in einer Ortschaft an einem kleinen Weiher, oder etwas weiter im zugehörigen Spielplatz aufgebaut.

Zum Glück kamen wir noch zur Besinnung und fanden ein Wander-Highlight auf komoot, welches wir nun ansteuern konnten. Nun musste nur noch eine Schranke überwunden, einige kleine Anstiege auf dem Wanderweg hochgeschoben und letztlich in totaler Dunkelheit im Wald ein Platz mit Bänken gefunden werden. Letztlich war es fast 12 Uhr und wir hatten 108 Kilometer zurückgelegt. Während ich mich direkt ins Zelt legte und sofort einschlief, holte Jared gerade die Reste vom Mittagessen raus um den Abend noch gemütlich ausklingen zu lassen.

Wander-Highlight / Zeltplatz