#Pompeji
von Jared Faißt
am 27.05.2021
in
Sorrento
🇮🇹 Italien

Radlerhose hinterlässt Spuren

Heute hatten wir uns nach mittlerweile 14 Etappen vorgenommen, einen Pausetag mit Kultur einzulegen und die Fahrräder zum ersten mal (seit den Zugreisetagen) ruhen zu lassen. Geplant hatten wir, zuerst eine Bucht aus Vincents Erinnerungen aufzusuchen und schwimmen zu gehen und anschließend nach Pompei zu reisen per Zug und die Ruinenstadt besichtigen. Schnell wurde dann doch wieder klar, wie praktisch doch so Fahrräder sind, um nicht unnötig lange rumzulaufen, also wurden die Räder schließlich doch wieder gesattelt, jedoch mit einer einzigen Tasche und dem Nötigen für den Schwimmvormittag. Ohne Gepäck fühlten wir uns, als hätten wir heute ein e-Bike am Start und so flitzten wir bei gefühlt Puls 60 entspannt zur Bucht. Durch eine schmale steile Straße gelangten wir schließlich an eine Bucht, bei der man sehr gut zu einem Naturbogen schwimmen konnte. Während ich (wie immer) etwas länger mit dem kalten Wasser zu kämpfen habe, waren Katha und Vincent bereits auf den Bogen hochspaziert und beobachteten (angeblich) sogar Delfine... vielleicht wars auch ich (zu dem Zeitpunkt dann auch mal im Wasser).. man weiß es nicht.

Schließlich kehrten wir zum Resteessen noch einmal zu unserer Unterkunft zurück, bevor es dann per Zug nach Pompeji ging. Dort planten wir die Ruinenstätte, die vom Vulkan Vesuv im Jahr 78 nach Christus begraben wurde, zu besuchen. Währendher las Vincent uns einen Brief aus der Zeit des Ausbruchs vor. Der Brief stammt von Plinius dem Jüngeren. Dieser schrieb an den Geschichtsschreiber Tacitus seine Memoiren über seinen Onkel Plinius dem Älteren. Der Onkel (selber Naturforscher) eilte nämlich zu den Fliehenden von Pompeji, als der Vesuv regelrecht explodierte und verunglückte dann dabei selbst. Diese Erzählungen sind heutzutage sehr zentral, was die Erforschung des damaligen Zeitgeschehens betrifft. Der Brief ist komischerweise eher amüsant geschrieben, zum einen vielleicht einfach weil es so aus der Zeit gefallen ist und zum anderen, weil es sich liest wie ein Theaterstück. Es geht los mit:

Er (der Onkel) war in Misenum und befehligte die Flotte. Am 24. August, etwa um 1 Uhr mittags, berichtete ihm meine Mutter, dass sich eine Wolke von ungewöhnlicher Größe und Gestalt zeige. Er hatte in der Sonne gelegen und ein kaltes Bad genommen, sich ausgestreckt und etwas gegessen und nahm wieder seine Arbeit auf. Er ließ sich seine Sandalen bringen und erklomm eine Anhöhe, von der aus man die wundersame Erscheinung beobachten konnte.

Der Übeltäter. In pink in etwa die Form vorm Ausbruch.

Weiter heißt es dann:

Einem bedeutenden Naturforscher wie meinem Onkel erschien dies Ereignis betrachtenswürdig und wichtig. Er ließ ein leichtes Schiff bereit machen und begab sich selbst an Bord. Er bot mir an, mit ihm zu kommen. Ich antwortete, dass ich lieber arbeiten wolle und zufällig hatte er selbst mir etwas gegeben, woran ich schreiben sollte. Er trat soeben aus dem Haus, da er ein Schreiben von Rectina, der Frau des Cascus, erhielt, die über die drohende Gefahr erschrocken war (denn ihr Anwesen lag am Fuße des Vesuv und es gab keine andere Flucht als mit dem Schiff) und sie bat ihn, sie aus der Gefahr zu retten. Darauf änderte er seinen Plan, und was er aus Neugierde begonnen hatte, führte er jetzt mit Edelmut aus.

Der Edelmutige (in heutiger Sprache: Ehrenmann) versuchte also zu helfen und begab sich dabei selbst direkt in Gefahr

Er eilt dorthin, von wo aus andere fliehen, mit geradem Kurs auf die Gefahr zu. So furchtlos, dass er alle Veränderungen und Formen des Unheils so wie er sie wahrnahm, diktierte und aufzeichnen ließ. Schon fiel Asche auf die Schiffe, je näher sie herankamen, desto heißer und dichter; nun auch schwarze und ausgebrannte, vom Feuer geborstene Steine. Eine plötzliche Untiefe und der Auswurf des Berges macht die Küste unzugänglich. Er überlegte, ob er umkehren sollte, so wie es ihm der Steuermann riet, und sagte ihm: „Mit den Tapferen ist das Glück, fahre zu Pomponianus!“

Leider bleibt das Happy End dieser Geschichte aus, denn schließlich kommt der Onkel wie viele weitere Menschen zu jener Zeit im Qualm des Schwefel-Rauch Gemischs ums Leben, oder wie es im Brief heißt:

Gestützt von zwei Sklave erhob er sich und brach darauf wieder zusammen; wie ich vermute durch den dicken Rauch erstickt, weil sich die Luftröhre verschloss, die bei ihm eng und schwach war.

Das Inferno muss wohl wirklich gewaltig gewesen sein. Durch den Ausbruch hat sich sowohl die Küstenlinie um den Vesuv herum, sowie der Vesuv selbst stark verändert. Die Stadt Pompeji wurde dabei vollständig von der Asche begraben (25m unter heutigem Erdboden). Die Stadt wurde dadurch quasi konserviert und im 18. Jahrhundert wieder freigelegt. Wir besuchten diese archäologische Stätte am Nachmittag und liefen durch die menschenleeren Gassen dieser antiken Stadt. Interessant ist vor allem, dass die Straßen im Vergleich zu den Gehwegen deutlich abgesenkt sind und der Zebrastreifen wiederum dann eine erhöhte Folge von Steinen darstellt. Dies wurde erstmal genutzt, um für unseren Beatles Fanboy Vincent das Abbey Road Cover nachzustellen ;-)

Antike Abbey Road

Weiter ging es dann durch die Gassen der Kleinstadt. Interessant war hier auch, dass die Stadt mit nur knapp 8000-10.000 Einwohnern über 70 Lokale (Tavernen) verfügte und ein Amphitheater mit einer Kapazität von bis zu 20.000 Zuschauern hervorbrachte. Die Tavernen wurde wohl damals hauptsächlich von der niederen Klasse verwendet, die sich damals auch keine Küche in ihren eigenen 4 Wänden leisten konnte. Das Amphitheater wurde genutzt unter anderem für Gladiatorenkämpfe. Im Jahr 59 n. Chr. kam es wohl sogar bei einem Gladiatorenkampf zu schweren Ausschreitungen mit „Fans“ der benachbarten Stadt Nuceria. Kaiser Nero verbot daraufhin Gladiatorenspiele in dieser Arena für 10 Jahre. Recht amüsant diese Paralellen zu heutigen Fußballspielen, wo die Vereine ebenso mit Geisterspielen abgestraft werden bei Fehlverhalten der Fans. Bei aller Unnötigkeit von Gladiatorenkämpfe haben die Römer immerhin keine Geistergladiatorenkämpfe austragen lassen.

Amphitheater in Pompeji

Wir verließen das menschenleere Pompeji und ließen den freien Tag mit erneut Pasta alla Norma und einem Limoncello ausklingen (diese mal mit gebackenen Auberginen). Morgen erwartet uns eine stramme Etappe durch Neapel und wir freuen uns tatsächlich auch schon wieder aufs Fahrrad!