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von Vincent Kliem
am 27.07.2021
Start
Kaunas
🇱🇹 Litauen
Ziel
Ukmerge
🇱🇹 Litauen
Strecke
84,21
km

Wie gewöhnlich, wenn wir mal ein festes Dach über dem Kopf haben, reizten wir die Check-Out-Zeit bis auf die letzte Minute aus und radelten aus der Kulturhauptstadt Kaunas in Richtung Ukmerge raus. Wir versuchten die vermeintlichen Vorzüge der Zivilisation zu nutzen, um an einen Corona-Test zu kommen. Haben wir in Berlin noch darüber schmunzeln müssen, dass jeder Dönerladen, Antiquitätenhändler, Puff oder auch ein Lastenrad ein Testangebot hat, merkten wir, dass das in Litauen nicht ganz so einfach ist. Sowohl an der Touristeninfo als auch bei einem Testzentrum selbst, konnte man uns „so kurzfristig“ nicht weiterhelfen. Nachdem wir mit der offiziellen Hotline telefoniert hatten realisierten wir, dass es an diesem Tag nichts mehr mit einem Test wird. Etwas ernüchtert fuhren wir in Richtung Ukmerge. Leider gibt es in Litauen kaum Fernradwege und so hatten wir nach längerer Recherche online eine Navigationsroute von Vilnius nach Riga gefunden. Auf diese Route wollten wir bei Ukmerge stoßen. Auf dem Weg dorthin musste improvisiert werden. Wir schoben unsere Räder über sandige Waldwege, fuhren ein Stück Autobahn und mussten uns bei einer Brücke auf dem Gelände einer Kiesgrube dünn machen, bevor wir die vollbepackten Räder auch noch über eine Autoschranke heben mussten. Zwischendrin waren wir froh, als wir einen netten Rastplatz in einem Waldstück fanden mit sehr netten Holzskulpturen. Die Pause versüßten wir uns mit dem Olympialivestream, was mit unserer neuen tollen SIM-Karte überall möglich ist.

Unser Schlafplatz am See

Gestärkt durch unsere tägliche Dosis Käsebrote ging es weiter über fragwürdige Straßen. Gegen Abend - wir waren gerade Kilometerlang auf einer Schotterpiste geradelt und jubelten über die frisch asphaltierte Straße - bemerkten wir hinter uns ein Unwetter heranziehen. Wir hatten gerade noch genug Zeit unsere Regensachen aus den Taschen zu kramen und uns abzudichten, da ergoss sich über uns schon ein Wasserfall biblischen Ausmaßes. Zum Glück dauerte es nur wenige Minuten und so fanden wir kurze Zeit später einen kleinen See etwas abseits der Route auf der Karte, den wir für ein Nachtlager ansteuern wollten und tatsächlich kamen wir an einem schönen kleinen Badesee raus. Neben vereinzelten Badegästen trafen wir auch zwei Angler an. Obwohl dies einer von hunderten kleinen Seen in dieser eher dünn besiedelten Region war, wunderte es uns nichtmehr, dass wir hier auf Angler stießen, denn folgendes haben wir auf unserer Reise bisher über den Angelsport gelernt:

  1. Egal wie abgelegen der Strand, die Küste oder das Ufer, egal wie klein, groß, reißend, ruhig, salzig oder süß das Gewässer, man findet Angler überall.
  2. Nachtruhe? Brütende Mittagshitze? Regenwetter? Egal! Geangelt wird zu jeder Zeit und zu allen Konditionen, sodass man auch mal nachts um 1 im Zelt wach wird, wenn die Angler kommen.
  3. Hat jemals schonmal irgendwer, irgendwo auch nur einen Fisch gefangen? Wir haben das zumindest noch nie beobachtet! ;-)

Wir sind natürlich trotzdem sehr beeindruckt von der Ruhe und Gelassenheit dieser netten Kollegen.

Wir hängten unsere Sachen zum trocknen auf und gingen - träumend von besseren Straßen - schlafen.

Am nächsten Morgen, die Angeln waren natürlich schon wieder ausgeworfen, stießen wir recht bald auf die recherchierte Route. Es war zwar kein Fernradweg im engeren Sinne, aber die Route versprach der Beschreibung nach zumindest „direkt“ und auf Asphalt zu verlaufen. Trotzdem waren die Straßen hinter Ukmerge zunächst recht stark befahren. Wie so oft in den letzten Tagen blieb uns aber keine andere Wahl, denn die Ausweichroute führte über unzumutbares Pflaster. Der Straßenlärm und die Monotonie versuchten wir uns mit Podcasts auf einem Ohr etwas erträglicher zu machen. Kurz vor Anyksciai versuchten wir trotzdem nochmal auf eigene Faust der Straße auszuweichen. Leider verwandelte sich der solide Schotterweg in einen erdig-sandigen Waldweg. Den geneigten Leser*innen werden vielleicht noch die größten Fehleinschätzungen von Jared, Katha und mir bekannt vorkommen. Auf dem Waldweg kam es dann tatsächlich auch mal zu einer eklatanten Fehleinschätzung von Moritz‘s Seite. Glücklicherweise konnten wir diese bequem aus dem Trockenen heraus fotografisch dokumentieren:

Moritz Spannenkrebs: „Da kann man durchfahren“

In Anyksciai fanden wir eine nette kleine Bar. Manche von uns nutzten die Pause, um bei einem Kaffee oder Bier etwas zu entspannen, wiederum andere waren einfach nur froh, ihre Schuhe trocknen zu können…

Ich freute mich besonders über das Klavier in der Bar, auf dem ich eine Runde spielen durfte - das fehlt mir wirklich enorm, unsere Miniklampfe in allen Ehren.

Hinter Anyksciai verbesserten sich die Straßen deutlich und der Verkehr nahm ab. Wir fanden wieder einen See, den wir ansteuern wollten. Dass wir mit der Idee nicht alleine waren bemerkten wir, als am Ufer ein Reisebus parkte und etwa 50 Jugendliche in einer Art Ferienlager herumtobten. Wir durften trotzdem bleiben und bekamen sogar die Feuerstelle mit Holz. Nach einer kurzen Stärkung drehten wir ein kleines Video für die deutsche Krebshilfe und Zukunft für Ugandas Kinder.

von Moritz Spannenkrebs
am 26.07.2021
Start
Veiveriai
🇱🇹 Litauen
Ziel
Kaunas
🇱🇹 Litauen
Strecke
30,84
km

Mit der ersten deutschen Olympiamedaille im Rücken radelten wir top motiviert los. Etwa 10 Meter weit - bis uns klar wurde, dass wir nach wie vor in den unendlichen Weiten litauischer Sandwege steckten. Also kämpften wir uns langsam aber sicher über das Geröll und konzentrierten uns darauf, die am besten verdichtete Route zu finden. Nur nicht einsinken!

Unser erstes Ziel in Litauen sollte Kaunas sein, was etwa 100 Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Dementsprechend wollten wir heute möglichst nah an die Stadt ran, so dass wir am nächsten Tag dort Wäsche waschen und einige Stunden zur Stadtbesichtigung nutzen könnten. Leider verbesserten sich die Straßenverhältnisse den ganzen Tag über nicht wirklich. Wir hatten immer die Wahl zwischen asphaltierten aber stark befahrenen Autobahnen und den Schotter- und Sandpisten, die einen auf Dauer wahnsinnig machen.

In einem kleinen Dorf gingen wir einkaufen und konnten unsere ersten Versuche machen, uns auf Litauisch zu verständigen. Tatsächlich wurde ich meist nur seltsam angeschaut, wenn ich jemanden mit „Laba diena“ begrüßte und wechselte jedesmal schnell verlegen zu Englisch und schließlich zu wilder Zeichensprache. In dem kleinen Laden gab es eine exquisite Auswahl an Dosenfleisch, Dosenwurst und Dosenfisch. Zutaten für eine Tomatensoße oder einen Nudelsalat konnten wir dagegen nirgends finden, also entschieden wir uns mal wieder für das gute alte Käsebrot.

Die Sonne brutzelte bereits ordentlich und ich war mal wieder froh, die 50er Sonnencreme eingepackt zu haben. Unsere Mittagspause verbrachten wir auf dem Grundstück einer kleinen Ferienanlage, deren Besitzer uns auf der Bank essen und Kaffee kochen lies. Hinterher ging es weiter durch die Hitze. Jared schützte seinen Kopf mal wieder mit seinem schicken Sonnenhut, während ich auf mein Handtuch zurückgreifen musste. Unter den Helm geklemmt, waren damit mein Kopf, Nacken und meine Schultern hervorragend geschützt!

Bei den anstrengenden Straßen- und Wetterbedingungen waren wir gegen Abend bereits relativ früh platt. Glücklicherweise fanden wir einen super Platz an einem kleinen See, wo es sich noch die eine oder andere Abendstunde aushalten ließ. Wir nutzten den schönen Spot unter anderen zum schwimmen und für ein paar Runden Discgolf auf Strommasten. Wir waren mittlerweile deutlich besser in der Risikovermeidung und mussten die Frisbee nur zehn Minuten im hohen Gras suchen, mit gemeinsamer Anstrengung aus dem Sumpf fischen und zwischen den Ären eines Weizenfelds ausfindig machen. Außerdem konnte ich nur knapp verhindern, dass die Motorhaube eines angrenzend parkenden 3er BMW zerbeult wird. Naja, wir arbeiten weiter daran!

Am nächsten Morgen brauchten wir mal wieder eine Weile, um in die Gänge zu kommen. Dafür waren wir top motiviert die große Straße möglichst schnell hinter uns zu bringen und nach Kaunas einzufahren. Nach etwa 20 Kilometern passierten wir das Ortsschild, mussten aber trotzdem noch gute 10 km weiter fahren, um die Innenstadt zu erreichen. Für seine Größe ist Kaunas wirklich ausgedehnt, was auch daran liegt, dass es keine richtige Kernstadt mit hohen Häusern gibt.

Dafür gibt es aber eine sehr schöne Altstadt, welche sich durch enge Gassen und einen ganz speziellen Charme auszeichnet. Viele der Häuser sind zwar in eher desolatem Zustand und auch die Straßen und Wege machen nicht gerade den neusten Eindruck. Doch genau dadurch kommt die besondere Stimmung zustande. Auf dem Markplatz lernten wir, dass Kaunas für 2022 zur Kulturhauptstadt der EU gewählt wurde. Als Vorbereitung darauf gab es viele Baustellen, wovon leider auch die „Vilnius gatvė“, so etwas wie die Champs-Élysées von Kaunas, betroffen war.

Während Jared im Waschsalon war und unser Gepäck bewachte, machten Vincent und ich einen Ausflug zum „Army Shop“, wo wir Kartuschen für unseren Kocher kaufen wollten. Schon bei der Anfahrt an das Gebäude fühlten wir uns unwillkürlich in ein Videospiel versetzt. Wir überlegten uns noch kurz, ob dieses Gebäude möglicherweise nur für Mitglieder lokaler Milizen zugänglich war. Schließlich fassten wir unseren Mut und gingen hinein. Tatsächlich gab es in diesem Laden alles, was sich ein Mafiaboss für einen ausgewachsenen Bandenkrieg wünschen könnte. Während wir noch die Panzergarage suchten, entdeckten wir die Schraubkartuschen. Also ließen wir sämtliche Schusswaffen, Armbrüste und Messer links liegen und bezahlten schnell.

Unser nächster Stop sollte die Filiale eines litauischen Mobilfunkanbieters sein. Tatsächlich stellte sich das Gebäude eher als die Konzernzentrale des selben heraus.

Vincent ließ sich davon nicht irritieren und ging mutig in das große Gebäude hinein, während ich im Schatten auf die Räder aufpasste. Nach etwa 10 Minuten kam Vincent zu meiner Überraschung mit einer neuen Simkarte und breitem Grinsen im Gesicht zurück und begann sofort, sein Handy umzurüsten. Tatsächlich hatten wir nun für gerade mal 2,50 Euro eine komplett Flatrate innerhalb von Litauen. So viel zur Digitalisierung in anderen europäischen Staaten…

Mit frischen Kartuschen, frischer Wäsche und frischem Internet bewaffnet, radelten wir zu unserem Nachtquartier. Dieses war eine Pilgerherberge und lag so schön, wie man es sich nur wünschen konnte. Direkt zwischen dem alten Schloss und dem Unabhängigkeitsplatz befand sich das schöne alte Eckgebäude. Für alle, die einfach und günstig übernachten wollen eine absolute Empfehlung!

Jared nutzte das gemütliche Bett zur Entspannung, während Vincent und ich eine Tour durch die Stadt machten. In der Touristeninformation wurde uns unter anderem ein Gebäudeinnenhof empfohlen, welcher einem Anwohner als Straßenkunst-Atelier diente. Der Weg dahin zog sich quer durch die Altstadt, wo sich ein Fotomotiv nach dem anderen bot. Der Innenhof selbst war umringt von Gebäuden, welche vor dem zweiten Weltkrieg noch von jüdischen Familien bewohnt waren. Der Künstler hatte viele Bilder der ehemaligen Bewohner in seine Kunstwerke einfließen lassen. Insgesamt erinnerte der Hof an eine etwas wildere und heruntergekommenere Version der Kunsthofpassage in Dresden. Besonders auffällig war, dass auch in diesem recht linken Millieu eine litauische Flagge zu finden war. Wir grübelten noch eine ganze Weile, wie wohl in so einem kleinen Land das Verhältnis zum Nationalstaat war.

Beim Rückweg zur Herberge fanden wir eine kleine Bar für Craft-Beer (How Doc). Dort trafen wir uns wieder mit Jared und genossen sehr leckere Ziegenkäse-Burger mit Rucola und Honig. Dazu probierten wir uns quer durch die Bier-Auswahl und waren beeindruckt vom Fachwissen der Wirtin. Total überfordert von den Fachtermini der unterschiedlichen Aromen, bestellte ich letzten Endes irgendetwas und bekam ein leckeres Bier.

Den Abend ließen Jared und Vincent in unserem Zimmer mit den Olympischen Spielen ausklingen. Ich machte noch einen längeren Spaziergang während ich telefonierte und erfreute mich nochmals an der schönen Altstadt von Kaunas.

Am nächsten Morgen nutzten wir noch den kleinen Speisesaal mit Küche zum Frühstück und machten uns auf den Weg in Richtung Ukmergė.

von Vincent Kliem
am 24.07.2021
Start
Jablonskie
🇵🇱 Polen
Ziel
Papiliakaniai
🇱🇹 Litauen
Strecke
74,81
km

Nach den letzten zwei Tagen brummte uns gehörig der Schädel vom reichhaltigen kulturellen Input und vom Entziffern von hunderten alten Dokumenten. Deshalb sollen die nächsten Tage vornehmlich unsere Beine beansprucht werden. Im Hinblick auf unser Ziel Tallin hieß es wieder ordentlich Strecke zu machen.

Nach Müsli und Kaffee in unserer kleinen Hütten ging es ab auf die Räder und weiter am Green Velo entlang. Der Green Velo ist wirklich die ideale Möglichkeit um EU-Skeptikern zu zeigen, für welche genialen Zwecke EU-Gelder eingesetzt werden. Der Green Velo führt über Feldwege und asphaltierte Straßen durch Wälder und Wiesen. Wir fuhren durch immer weniger dicht besiedelte Gebiete und so konnten wir uns von den Reizen der letzten Tage gut erholen.

Mittags machten wir Pause an einem kleinen See. Nachdem wir die Fahrräder und uns geputzt hatten, entdeckten wir beim Baden einige schöne Fische im Wasser. Es machte sich bezahlt, dass ich meine 2,99€-Billo-Chlorbrille, die ich in Passau gekauft hatte, um ein paar Bahnen im Freibad zu schwimmen, seit fast 2000km mit mir rumschleppe. Bewaffnet mit Brille und GoPro versuchten wir uns mit den Flussbarschen anzufreunden.

Das Highlight des Green Velos sind die sogenannten MORs, wobei wir immer noch keine Idee haben, wofür diese Abkürzung steht. Uns war schon öfters auf den Radschildern diese Abkürzung aufgefallen. Wir brauchten aber zwei Tage, um die grandiosen (meist überdachten) Pausenhütten, mit den Schildern in Verbindung zu bringen. Ein Standard MOR ist ausgestattet mit einer überdachten Bank, Fahrradständern und einem (meist gut benutzbaren) Plumpsklo. Oft findet man auch einen kleinen Flecken grün für ein Zelt.

So freuten wir uns in den Abendstunden sehr, als ein Schild den nächsten MOR in Aussicht stellte. Wir hatten uns mit allen Zutaten für ein Risotto bewaffnet und wollten am MOR kochen und nächtigen. Leider machte uns die ansässige Dorfjugend, die die Vorzüge eines MOR wohl auch zu schätzen gelernt hatten, einen Strich durch die Rechnung. In der Hoffnung, dass in den späteren Stunden noch ein wenig Nachtruhe einkehren möge, fingen wir an zu kochen und kamen (mit Hilfe von Google Translate) mit den jungen Polen ins (Schreib-)gespräch.

Gut genährt machten wir uns (bereits im Dunkeln) auf die Suche nach einem ruhigen Schlafplatz. Und der Green Velo gab uns mehr als das:

Premium-MOR

Da es schon relativ spät war, hatten wir die abendliche Mückenflut (meist gegen 21 Uhr) schon hinter uns und konnten ohne Zelt unter dem gigantischen Dach schlafen. Jeder vernünftige Mensch würde sich wahrscheinlich über die netten Blumen, die Tischdecke oder die Feuerstelle freuen. Wir eskalierten aber völlig als wir die zwei Steckdosen in der Ecke entdeckten. Sofort wurde nach empfohlener Priorisierung der ständigen Ladekommission (Jared) geladen. Priorität 1: Powerbank und iPad, Priorität 2: Drohnenakkus. Am Morgen wurde die Priorisierung aufgehoben und es durften sogar Handys laden, die nicht dem Navigationszweck dienen.

Monument am Dreiländereck

Nach dem Frühstück ging es weiter in Richtung litauischer Grenze. Bevor wir die Grenze überquerten machten wir einen kleinen Abstecher zum Dreiländereck: Russland-Polen-Litauen. Nachdem wir die letzten Tage das Gebiet um Kaliningrad umfahren mussten, waren wir schon von der russischen Einreisepolitik latent genervt. Aber hier setzte Russland auf absurde Weise noch einen drauf:

Am Dreiländereck gibt es ein kleines Monument, um das man eigentlich herumlaufen kann und dabei durch drei Länder läuft. Das russische Viertel war allerdings eingezäunt. Hinter dem Monument zog sich ein mehrfach gesicherter und Kamera überwachter Grenzstreifen durch die Landschaft inklusive Foto-Verbotsschilder. Wir kamen mit einem netten Polen ins Gespräch, der uns erzählte, dass die Zäune am Monument erst vor einigen Jahren errichtet wurden. Es wurden wohl schon übereifrige Touristen, die sich auf die andere Seite wagten, aufgegriffen und zu einer Geldstrafe von etwa 500€ verdonnert. Wir ließen es uns trotzdem nicht nehmen einen Schritt über die Grenze zu wagen. Wie befremdlich… Naja, die EU (und der Schengenraum) sind doch wirklich was ganz feines.

Zelt mit morgendlichem Sonnenschutz

Wir fuhren auf polnischer Seite noch ein Stückchen weiter. Bei einer Einkaufspause trafen wir eine ganzes Feld von Gravelbike-Fahrern, die augenscheinlich an einem Rennen teilnahmen. Aus dem Erschöpfungszustand der Fahrer und der Qualität der Ausrüstung folgerten wir, dass das Rennen nicht ganz ohne sein muss und tatsächlich recherchierten wir, dass es sich hierbei um ein Crosscountryrennen über 200km/500km handelt. Im Gespräch erfuhr Jared, dass einige der Fahrer garnicht schlafen, andere wiederum hatten auch ein Zelt dabei. Auf jeden Fall ist die knapp bemessene Karenzzeit von 72h einzuhalten. Wie wir da wohl mit unseren bepackten Eseln so performen würden?

Dass wir irgendwann in Litauen waren, merkten wir nur beim Blick auf die Karte und auf die Uhr (+1 Stunde).

Nach einigen Kilometern Feldweg kamen wir in den ersten kleineren Ort. Hier machte sich der Unterschied zu Polen doch deutlich, da das Dorf fast nur aus Holzhäusern bestand. Leider wurde hinter dem Ort die Straße katastrophal schlecht, so dass wir bald unser Nachtlager an einem Feldrand aufschlugen. Zum Abendessen gab es Fallafeln mit Reis und selbst gebackenem Brot. Mit vollen Bäuchen ging es ins Zelt für unsere erste Nacht in Litauen.

Am Morgen gönnten wir uns eine Runde Olympia auf dem Acker. Dank 4G und iPad konnten wir mitten in der Pampa voller Enthusiasmus die erste deutsche Medaille im 3-Meter-Synchronspringen verfolgen.

von Moritz Spannenkrebs
am 22.07.2021
Start
Lidzbark Warminski
🇵🇱 Polen
Ziel
Barciany
🇵🇱 Polen
Strecke
85,41
km

Nachdem wir gestern in Pieniezno (alias Mehlsack) zwar jede Menge Hinweise auf Jareds Ahnen, allerdings keine auf die meinen gefunden hatten, ging es heute nach Lidzbark Warminski (ehemals Heilsberg). Vincents Mama hatte über ihre geheimen Quellen (wir tippen auf die polnische Mafia) eine Geburtsurkunde meines Opas ausgegraben, die dort ausgestellt wurde. Als Wohnort wurde das kleine Dorf Nowosady (ehemals Wosseden) in fünf Kilometern Entfernung angegeben.

In Lidzbark angekommen, fanden wir schnell einen schönen Platz am Fluss. Ähnlich eines Green Velo Stops, waren zwei schöne Holzpavillons mit Bänken und Tischen aufgebaut, sodass wir die perfekte Infrastruktur zum Kochen hatten. Während ich noch mit meinem Papa telefonierte, in der Hoffnung auf letzte Hinweise auf den alten Hof meines Uropas, lernte Vincent einen jungen Mann kennen. Er stellte sich als Mariusz vor und war hier in Lidzbark geboren und aufgewachsen. Eigentlich wohnte er mittlerweile in Warschau, doch wegen Corona war er im Homeoffice und konnte deshalb hier bei seinen Eltern wohnen. Als wir ihm erzählten, dass wir wohl nur diese Nacht in der Stadt sein würden und morgen direkt weiter fahren wollten, versuchte er uns schnell umzustimmen. Lidzbark sei viel zu schön und habe viel zu viel spannende polnisch-deutsche Geschichte zu bieten, um sich nicht damit zu beschäftigen. Wie sich herausstellte, war er in einem lokalen Geschichtsverein und kannte sich dementsprechend hervorragend aus. Da wir noch essen und ein paar Telefonate führen wollten, verabredeten wir uns auf 22:00. Der erste Stop sollte ein alter Friedhof sein... mitten in der Nacht! Den Weg dorthin legten wir mit unseren Rädern und er mit seinem beeindruckend schnellen Klapp-E-Bike zurück. Vor allem Berg auf zog er uns damit ordentlich davon!

Den Eingang zum Friedhof bildete ein schönes, altes Tor mit der Aufschrift „Vater in deine Hände empfehle ich meinen Geist!“ - laut Bibel Jesu letzte Worte. Der Friedhof war tatsächlich noch aus deutschen Zeiten und die Inschrift nicht ersetzt, sondern nur nachträglich um die polnische Übersetzung ergänzt worden. Unser privater Guide führte uns zum Grab des deutschen Flug-Pioniers „Ferdinand Schulz“. Dieser war im damaligen Ostpreußen geboren und stellte zwischen 1924 und 1928 allerhand aberwitzige Weltrekorde im Segelfliegen auf. Beispielsweise segelte er in seinem selbstgebauten Flugzeug „Moritz“ 12 Stunden am Stück und kam auf eine Höhe von 435 Metern. Leider stürzte der „Ikarus von Ostpreußen“ bei einem seiner wagemutigen Flügen auf dem Marktplatz von Stuhm ab.

Flugpionier Ferdinand Schulz. Quelle: wikipedia

Auf der Suche nach weiterer polnisch-deutscher Geschichte, zeigte uns Mariusz erst den, wie er es beschrieb, Lustgarten des damaligen Bischofs und später die zugehörige Bischofskirche. An allen Ecken und Enden fanden sich alte, oftmals partiell übermalte deutsche Schriftzüge, die an die Zeit vor dem zweiten Weltkrieg erinnerten. Den Höhepunkt der nächtlichen Tour bildete die Burg Heilsberg, welche mittlerweile als Museum dient. In dieser hatten nicht nur viele Bischöfe gewohnt, sondern auch Nikolaus Kopernikus sechs Jahre lang als Arzt gearbeitet. Dieser entwarf einige Jahre später das erste heliozentrische Weltbild, hatte also erklärt, dass sich die Erde um die Sonne drehe.

Die gesamte Festungsanlage der Burg blieb als eines von wenigen Gebäuden der Stadt vor den Bränden nach dem zweiten Weltkrieg verschont. Witzig war, dass der Burghof eigentlich nachts geschlossen war, aber Mariusz wusste durch welche Türe man ihn dennoch betreten konnte.

Im Burghof unterhielten wir uns eine ganze Weile und er erklärte uns, wie das polnisch-deutsche Zusammenleben nach dem zweiten Weltkrieg stattfand. Entgegen unserer Erwartung, hatten viele deutsche Familien die russische Übernahme überstanden und wurden nicht sofort vertrieben. Sie lebten demnach noch einige Jahre in Heilsberg. Doch die Wut auf Deutschland nach dem Krieg verwandelte sich bei einigen polnischen Einwohnern in Hass und somit wurden nach und nach auch die letzten deutschen Familien gezwungen, ihre Häuser aufzugeben und in das heutige deutsche Staatsgebiet zu fliehen.

Als letzten Punkt der Führung wurde uns ein alter evangelischer Friedhof gezeigt, welcher auch aus deutschen Zeiten stammte. Heute war nur mehr ein einziges Grab übrig, der Rest war dem Erdboden gleichgemacht worden. Mariusz fand es schrecklich, dass ein solcher Ort derart verkommen lassen wurde.

Kurz nach zwölf war die Führung zu Ende, doch Mariusz begleitete uns noch zu unserem Zeltplatz. Tatsächlich wäre es schade gewesen, die Stadt nicht kennenzulernen. Lidzbark Warminski war wirklich hübsch und hatte gescichtlich einiges zu bieten! Während wir schon unsere Zähne putzten, versprach er uns noch, uns eine deutsche Bierflasche aus den 1930ern zuzuschicken, sobald er wieder in Warschau sein würde. Wir sind gespannt…

Am nächsten Morgen fuhren wir in Richtung Nowosady. Zur Erinnerung: Hier hatten mein Uropa und meine Uroma einen Hof gehabt, wo auch mein Opa geboren war. Der Weg dahin machte uns schnell klar, dass es sich nicht gerade um eine Metropole handelte: Statt Teer, oder wenigstens Schotter gab es hier erneut nur Sandstraßen. Dies sollte aber gerade geändert werden und dementsprechend rauschten ständig LKWs an uns vorbei in Richtung Baustelle. Jedes mal wurden Unmengen Sand aufgewirbelt und man musste Mund und Augen schließen. Als wir gerade an einer besonders sandigen Passage waren und sich ein Lastwagen an uns vorbei zwängte verlor Vincents Vorderrad den Grip, grub sich tief in den Sand und Fahrrad samt Fahrer stürzten. Glücklicherweise waren noch einige Meter Platz zum LKW und Vincent tat sich auch nicht weh. Lediglich sein Rennlenker nahm eine recht eigenartige Form an, was aber mit Werkzeug und Fingerspitzengefühl wieder in Ordnung gebracht wurde.

Einige Sandkilometer weiter kamen wir in das kleine Dorf, bzw. eher in die lockere Ansammlung alter Höfe. Da wir keinen echten Anhaltspunkt hatten, wo genau der ehemalige Hof meiner Urgroßeltern sein könnte, bzw. ob dieser überhaupt noch existierte, fotografierte ich einfach wild einige alt aussehende Häuser und Scheunen. In der Mitte des Dorfes stand eine kleine Kapelle, welche Vincents fachkundiger Blick als hinreichend alt klassifzierte. Leider war sie verschlossen und das einzige Grab im zugehörigen Garten trug auch keinen uns bekannten Namen.

Im ganzen Dorf sahen wir keine Menschen. Einzig an einem sehr alt aussehenden Hof trafen wir den Besitzer desselben, was sich als beinahe astronomischer Zufall herausstellen sollte. Zu unserer Überraschung sprach er einige Worte englisch (nach eigener Aussage als einziger im Dorf) und war durchaus interessiert an meiner Geschichte. Ich zeigte ihm eine alte deutsche Karte der Umgebung, die ich online gefunden hatte und er studierte sie fleißig. Leider half das nicht groß weiter und auch die Namen „Spannenkrebs“ und „Tresch“ (Mädchenname meiner Urgroßmutter) sagten ihm nichts. Als wir schon am gehen waren, pfiff er uns zurück und wir traten etwas perplex heran. Zu unserem Erstaunen gab er uns zu verstehen, ihm zu folgen und erklärte mir, er habe ein Foto meines Vaters. Trotz der Gewissheit, dass mein Vater noch nie hier gewesen war, folgten wir brav und setzten uns zu seinem (sehr anhänglichen) Hund vors Haus. Unterdessen holte seine Frau ein altes Fotoalbum aus dem Haus und wir unterhielten uns. Ich erklärte ihm, dass mein Vater nie in Nowosady gewesen war, aber mein Großonkel mal nach dem alten Hof gesucht habe. Da ich diesen selbst nie kennengelernt hatte, konnte ich ihn auf den beiden Bildern die er uns zeigte auch nicht identifizieren. Er erklärte uns, der Besuch des Mannes (auf dem Foto ganz rechts) sei etwa zwanzig Jahre her und auch dieser habe nach dem alten Hof seiner Familie gesucht. Der Cowboy im Hintergrund des Bildes ist übrigens eine jüngere Version unseres Gastgebers. Ich konnte mir eine gewisse Ähnlichkeit zu meinem Opa durchaus einbilden und auch das Alter hätte bestens gepasst. Im Nachhinein konnte mein Vater die Identität nicht so ganz bestätigen, aber die Geschichte war einfach zu gut! Wir unterhielten uns noch ein wenig und fanden heraus, dass sein Vater ebenfalls im Krieg geflohen war. Allerdings von Ostpolen ins damalige Ostpreußen. Er selbst war hier im Hof aufgewachsen, was aber natürlich deutlich nach der Flucht meines Opas war. Dementsprechend wusste er auch nicht, welche Gebäude noch aus deutschen Zeiten stammen konnten. Dafür erzählte er uns eine Geschichte vom Hof seines Bruders (einige hundert Meter weiter), bei dem angeblich irgendwann Hitler zu Besuch gewesen sei. Naja, wir konnten dieser Erzählung in der vorgetragenen Sprache inhaltlich nicht so ganz folgen... Trotzdem glücklich über dieses zufällige Treffen bedankten wir uns vielfach und verabschiedeten uns von seiner Frau und ihm. Er witzelte noch, in zwanzig Jahren würde sicher wieder jemand aus meiner Familie vorbeikommen und wünschte uns bis dahin alles gute.

Da wir für den Tag bereits genug erlebt, aber noch viel zu wenig Strecke hinter uns gebracht hatten, ging es nun weiter. Wir folgten wieder dem Green Velo, welcher uns auf gut befahrbaren Feldwegen und Straßen ohne Verkehr nach Osten führte. Unsere einzige längere Pause machten wir an einem Fahrrad-Rastplatz. Dort waren wir fasziniert von einem Paar Storche, die an ihrem Nest werkelten. Allgemein war die Menge dieser schönen Vögel in den letzten Tagen extrem hoch gewesen. In jedem Dorf fanden sich mehrere Storchennester und auf jedem Feld waren die Tiere zu sehen. Eine kurze Recherche ergab, dass Polen auch als „Land der Weißstorche“ bezeichnet wird. Etwa 25% der Weltpopulation an Weiß- bzw. Klapperstorchen sei hier zu finden. Ich versuchte natürlich, die Vögel zu fotografieren und näherte mich dabei so gut es ging ohne sie zu verscheuchen - im Nachhinein muss ich zugeben, dass die Aktion wohl etwas bescheuert aussah.

Zum Abend hin waren wir lang, sehr lang auf der Suche nach einem guten Zeltplatz. Nach den Erfahrungen der letzten Tage waren wir wohl auch etwas verwöhnt und wollten unbedingt eine Bank mit Tisch, aber bitte ohne viele Mücken. Tja, wer so wählerisch ist, muss es mit den Oberschenkeln bezahlen und so rollten wir weit über die von uns angestrebten 75 km hinaus. Schließlich fanden wir allerdings eine standesgemäße Unterkunft im Park eines kleinen Dorfes, wo wir angenehm kochen konnten und schließlich einen gemütlichen Zeltplatz für die Nacht hatten.

von Jared Faißt
am 21.07.2021
Start
Dabrowa
🇵🇱 Polen
Ziel
Lidzbark Warminski
🇵🇱 Polen
Strecke
64,95
km

Heute stand eine für mich ganz besondere Etappe bevor, wir erreichten Pienieszno, oder wie es zu preußischen Zeiten hieß: Mehlsack. Dies ist der Geburtsort meines Großvaters Gerhard Wichert. Es lag tatsächlich erst etwa 10 Tage zurück, als wir zwischen Berlin und Anklam ein wenig über die polnische Route nachdachten und Vincent mich dabei fragte, wo denn nochmal mein Opa herkäme. Schließlich war es dort bereits ersichtlich, dass wir Kaliningrad umfahren müssen und daher auch noch andere Ziele in Polen ansteuern könnten. Als ich Mehlsack antwortete, war Moritz ganz baff, denn seine Großeltern kommen auch von dieser Gegend, was ein Zufall! Während wir also weiterradelten ließen wir noch einmal zuhause Informationen zusammensammeln und übergaben sie Jolla (Vincents Mutter). Dank ihrer polnischen Muttersprache und Engagement konnte sie uns einen Kontakt im Standesamt in Mehlsack herstellen. Dort gibt es tatsächlich noch wenige Bücher mit Geburtseinträgen aus dem Zeitraum 1920 - 1938.

Wir kontaktierten dann Frau Boncal und vereinbarten, dass wir um 13 Uhr vorbeikommen würden. Sie spricht zu unserem Glück sogar wirklich gutes Deutsch, sie hatte ein paar Jahre in Aachen gelebt und studiert. Wir ließen den Vormittag gemütlich angehen und genossen den sehr wild belassenen Campingplatz. Wir waren nur noch 20km von Mehlsack entfernt und so ließ ich die Gedanken etwas schweifen… ob wohl Uroma Hedwig und Uropa Andreas auch Ausflüge hierher gemacht haben? Das werde ich zwar leider nicht mehr herausfinden, aber vielleicht finden wir ja noch andere Informationen. Zuerst zur Übersicht hier meine Situation und die Charaktere, um die es geht:

  • Uropa Andreas Wichert, geboren 1920, verstorben 1942 im Krieg (1. Bild)
  • Uroma Hedwig Reiß, geboren 1920 in Peterswalde nahe Mehlsack (2. Bild links)
    • Hatte noch viele weitere Geschwister, unter anderm einen Paul, eine Agathe und Anna… weiteres ist nicht bekannt, außer dass es eher viele sind.

Die beiden hatten dann 3 Kinder

  • Mein Opa Gerhard Wichert, geboren 1941 in Mehlsack, verstorben 2011 in Waldmössingen (3. Bild ganz rechts)
  • Bruder meines Opas Bernhard Reiß, geboren 1936 in Mehlsack, verstorben in Waldmössingen
  • Opas Schwester Helga,, 1942 geboren aber früh verstorben

Meine Hoffnung war in erster Hinsicht Wichert oder Reiß überhaupt zu finden und wenn möglich dies auch noch zu meinem Stammbaum verknüpfen. Wir freuten uns aber hauptsächlich überhaupt mal in solche Akten einsehen zu können. Und so wurden wir dann von Frau Boncal wie vereinbart empfangen und sie gab uns 9 Bücher heraus, die noch in Mehlsack verblieben sind. Sie sagte, der Rest sei entweder im Krieg verbrannt worden oder befindet sich auch zum Teil in einer zentralen Aktensammlung. Wir bekamen zuerst das Buch der Geburteneinträge von 1920. Das Alter war diesem Stück gut anzusehen, aber die Schrift war meist sehr gut erhalten, wenn auch sauschwer zu entziffern. Diese Schriftart ist uns leider nicht allzu geläufig und so hatten wir gut zu kämpfen, die Namen, Berufe und Daten ausfindig zu machen. Wir mussten aber garnicht lange suchen da kam schon der erste Wichert.

Und zwar war wohl zu dieser Zeit ein Wichert im Rathaus tätig, der öfter die Einträge übernahm, aber ständig unterzeichnete mit: ‚In Vertretung: Wichert‘. Die Schrift war ähnlich wie bei mir sehr lausig, aber sonstige genetischen Übereinstimmungen ließen sich hier nicht weiter ausfindig machen. Es dauerte ebenfalls nicht lange, da kamen auch die ersten Wicherts und Reiß‘ auf die Welt. Da es sich um das Jahr 1920 handelte, konnte maximal Hedwig infrage kommen, jedoch war sie wie bereits erwähnt im Kreis Peterswalde auf die Welt gekommen. Sie hatte jedoch viele Geschwister. Aufmerksam wurde ich dann bei folgender Familie. Paul Reiß und Rosa Reiß hatten in den Jahren 1922, 1924, 1926 die Kinder Elfriede, Maria und Erna auf die Welt gebracht. Ob sie verwandt mit Hedwig sind, konnte ich leider bisher nicht klären.

Der Hunger bestellt mit

Ein weiterer trauriger Aspekt der Akten waren auch die häufig vermerkten Todesdaten der gefallen Soldaten, die in die Geburtsurkunde mit einem Hakenkreuzstempel versehen eingetragen waren. Dies war vor allem im Buch von 1920 und 1922 zu sehen, diese Mönner wurden also meist nicht älter als 22; eine schlimme Vorstellung. Nachdem wir die Öffnungszeit maximal ausgereizt haben und alle Bücher durchgeschaut hatten verabschiedeten wir uns wieder von Frau Boncal und gingen auf Empfehlung in eine nahegelegene Pizzeria, wo wir mit zu viel Hunger im Bauch uns zu 2 übergroßen Pizzen (50cm) und einer normalen Pizza (30cm) hinreißen ließen. Die Bedienung nahm die Bestellung zwar mit staunenden Augen entgegen, jedoch blieb tatsächlich von den Pizzen nichts übrig. Wir waren dennoch maßlos überfressen. Wir quälten uns dann noch einige Kilometer weiter Richtung Lidzbark Warminski (ehemals Heilsberg), wo wir weitere Spuren suchen wollen… und zwar von Moritz (eigentlich Franz) Spannenkrebs.

von Moritz Spannenkrebs
am 20.07.2021
Start
Tujsk
🇵🇱 Polen
Ziel
Dabrowa
🇵🇱 Polen
Strecke
97,1
km

Mit leicht verdaulichen Nudeln und schwer verdaulicher Geschichte im Bauch verließen wir Danzig (bzw. Gdańsk) wieder. Der nächste Fixpunkt auf unserer Tour sollte Pieniezno (ehemals Mehlsack) sein, wo Jared und ich Hinweise auf unsere Vorfahren suchen wollten. Bis dahin waren es ca 150 Kilometer, und wir wollten dementsprechend bis zum Abend des nächsten Tages ca 140 Kilometer zurücklegen, um dann vor Pieniezno zu übernachten. Da es bereits später Nachmittag war, machten wir keine längere Pause mehr und versuchten so möglichst viele Kilometer hinter uns zu bringen.

Vincent schien sich dabei ungewohnt schwer zu tun - vermutlich hatte ihm die durchgelegene Hostel-Matratze nicht bekommen!? Die Straße führte uns entlang des Flusses Martwa Wisla, an dessen Ende wir die Weichsel per Fähre überquerten.

Auf der anderen Seite bot sich uns ein spannendes Naturschauspiel. Wir konnten beobachten, wie sich in den einige Kilometer entfernten Gewitterwolken zwei Wirbel bildeten und langsam aber sicher Richtung Boden wuchsen. Die Wirbel wurden so zu ausgewachsenen Wasserhosen, die ein paar Minuten umeinander tänzelten, bevor sich beide langsam auflösten. Leider waren wir zu fasziniert, um rechtzeitig die Kamera zu zücken und konnten die Tornados nicht in voller Pracht aufnehmen.

Nach etwa 40 gefahrenen Kilometern - Vincent hing nur noch angestrengt im Windschatten - erspähte Jared einen möglichen Schlafplatz. Am Rande eines kleinen Flusses, von Gebüsch wenigstens halbwegs bedeckt, war ein etwa zehn Meter langer und drei Meter breiter, schwimmender Steg. Unsere Schnellprognose stimmte uns optimistisch, hier unser Zelt irgendwie drauf zu bekommen. Unter normalen Umständen hätte ich dafür plädiert weiterzufahren. Zeitgleich untersuchte allerdings Vincent sein Hinterrad, um festzustellen, ob sich wieder Speichen gelöst hatten. Tatsächlich wackelten einige Speichen nur noch lose herum. Allerdings nicht weil sie sich aus der Felge gelöst hatten, sondern weil sich die Felge AUFgelöst hatte. Bei acht Speichen hatte sich das Gewinde mitsamt einem Stück Felge herausgerissen. Dementsprechend hatte sich das Rad in ein ungefähr rundes Vieleck verwandelt. Eine Weiterfahrt war also erstmal ausgeschlossen und so arrangierten wir uns mit dem Steg. Immerhin war wohl mit Vincents Fitness noch alles in Ordnung... Nachdem wir gekocht hatten, wurde das Zelt auf dem Steg aufgebaut. Mit guten zehn Zentimetern Platz zwischen Zeltwand und Wasser auf beiden Seiten war das ganze kein Problem! Zumindest für mich, da ich ja in der Mitte schlafe.

Am nächsten Morgen hatte ich gerade Frühstück und Kaffee gekocht - Jared hatte sich schon zu mir gesellt, während Vincent noch von einer neuen Felge träumte - da kam eine Gruppe von drei Männern auf unseren Steg. Sie witzelten untereinander und hatten insgesamt eine geschäftige aber hervorragende Stimmung an den Tag gelegt. Bewaffnet mit Motorsensen und Laubgebläsen begannen sie sofort wild auf uns einzureden. Zwar war der Tonfall entspannt und fröhlich, aber wir begannen trotzdem etwas hektisch unser Zeug aus dem Weg zu räumen. Auch Vincent war plötzlich in der Vertikalen und verstaute bereits die Schlafsäcke. Die Männer winkten nur ab, bedeuteten uns sitzen zu bleiben und (so die Vermutung) wünschten uns einen guten Appetit.

Nachdem wir schließlich zusammengepackt hatten, machten wir uns auf den Weg. Natürlich musste Vincents Hintervieleck möglichst entlastet werden und so übernahm Jared die großen Packsäcke und den Wasserbeutel und ich Vincents beide Hintertaschen und die Gitarre.

Dank Entlastung rollte alles einigermaßen und wir erreichten recht schnell das etwa 30 km entfernte Elblag. Dort suchten wir einige Zeit nach dem angestrebten Fahrradladen. Da sich die Suche durch ein spannendes Backstein-Industriegebiet zog, wo es so ziemlich jedes Handwerk zu finden gab, hatten wir aber auch daran unsere Freude. Als wir die Radwerkstatt schließlich fanden, waren wir direkt guter Dinge. An der Wand hingen einige dutzend Laufräder und so fand sich auch schnell ein passendes für Vincents Drahtesel. Die beiden Mechaniker, beide etwa in unserem Alter, waren super hilfsbereit und kompetent. Einzig die Frau an der Kasse, möglicherweise die Geschäftsführerin, war nicht so begeistert, wenn wir ständig ihre Mechaniker beanspruchten.

Kurz nach uns traf eine junge deutsche Familie ein. Die Eltern waren mit ihren drei Söhnen (5, 3 und 1) einen Monat in Polen unterwegs. Dabei legte der älteste die gesamte Stecke selbst zurück, während seine kleineren Brüder mit Follow-Me bzw. Kindersitz vom Vater bewegt wurden. Wir waren wirklich beeindruckt wie entspannt und gelassen die Bedürfnisse der drei Kinder während der Fahrradreparatur bedient wurden. Ob wir wohl so entspannt wären, die Tour mit drei kleinen Kindern durchzuziehen? Die Räder der Eltern repräsentierten die Crème de la Crème der Fahrradschaltungen: Sie war mit einer Rohloff Nabenschaltung und er mit einer Pinion Getriebeschaltung unterwegs. Letztere ist optisch leicht mit dem Motor eines E-Bikes zu verwechseln, da sie direkt im Tretlager, also zwischen den Pedalen, angebracht ist und in Form einer kleinen Box im Rahmen steckt. Mit einem Preis von 1500 Euro allein für die Schaltung findet man die Pinion P1.18 auch nur in High-End Rädern.

Dementsprechend irritiert waren wir über die teils fehlende Fachkenntnis der beiden, die an der einen oder anderen Stelle auffiel. Während Vincent sein neues Hinterrad zusammengeschraubt bekam, wollte ich noch schnell (!!) meine Kette wechseln, da die alte bereits ordentlich steif war. Aufgrund von Verständigungsproblemen, wurde mir erst eine komplett falsche Kette verkauft, die dementsprechend hin und her wackelte und bei jeder Pedalumdrehung durchrutschte. Etwas genervt suchte ich mir dann die Kette selbst aus und montierte sie fröhlich mit meinem Kettennieter. Guter Dinge setzte ich mich für eine Proberunde auf den Sattel und RATSCH rutschte auch die neue Kette durch. Bereits etwas verzweifelt versicherte ich mich dreifach, ob es sich diesmal auch wirklich um die richtige Kette handelte. Der nächste Anhaltspunkt war die Kettenspannung, also wurden nochmal ein paar Kettenglieder entfernt, um die Feder des Kettenspanners stärker unter Zug zu setzen. Auch das brachte keine wesentliche Verbesserung und somit wuchs meine Frustration weiter an. Auch die Mittagssonne, welche auf unsere Köpfe knallte trug nicht gerade zur Entspannung bei. Vincent war in der Zwischenzeit einkaufen gegangen und er und Jared hatten bereits gegessen. Unsere Radlerkollegen hatten alle Reparaturen erledigt und die drei Jungs wurden längst ungeduldig. Nachdem die Ölschicht auf meinen Händen vom vielen rumwerkeln deckend war, beschloss ich doch noch einmal einen der beiden Mechaniker um Rat zu fragen. Der identifizierte das Problem schnell: einige Kettenglieder der neuen Kette waren steif. Leider stellte sich die Behebung des Problems als deutlich komplizierter heraus als die Diagnose. Gemeinsam werkelten er und ich eine weitere halbe Stunde und drei Kettenschlösser lang an der Kette herum. Die junge Familie war mittlerweile weitergezogen und Jared und Vincent hatten Reparaturzeug für die Solarplatte in einem nahegelegenen Baumarkt besorgt. Nach locker zwei Stunden lief die Kette wieder flüssig und mein Rad rollte wie neu. Vielleicht war es mit meiner eigenen Fachkenntnis auch nicht so weit her, wie ich mir eingebildet hatte...

Während unserer Reparaturgespräche empfahlen uns die beiden jungen Eltern den „Green Velo“, welcher ziemlich genau zu unserer Streckenplanung passte und außerdem eine tolle Infrastruktur mit sich bringe.

Gesagt, getan! Wir folgten den netten Schildern mit bunten Kettengliedern in Richtung Pieniezno. Tatsächlich waren etwa alle 15 Kilometer klasse Rastplätze mit Bänken und Tischen unter schönen Holzdächern gemeinsam mit Mülleimern und jeweils einer Toilette vorhanden. Die Ausschilderung war auch sehr gut und der Weg so gewählt, dass von Autos befahrene Straßen möglichst gemieden wurden. Für eine Familie war das perfekt, aber für uns waren Streckenführung und Belag an diesem Tag zu langsam, da wir bis Abend nahe an Pieniezno sein wollten.

Dementsprechend fuhren wir viel auf der Landstraße und schafften trotz langer Wartungspause gute 90 Kilometer. Für die nächsten Tage nahmen wir uns vor, dem ausgeschilderten Weg mehr zu folgen. Nach unserem Abendessen an einer Bushaltestelle, rollten wir an einen See, wo wir einen minimalistischen, sehr natürlichen Campingplatz fanden. Beim Betreten desselben kam uns direkt ein großer, bulliger Hund entgegen, der wild bellte und die Zähne fletschte. Glücklicherweise kam uns schnell sein Herrchen, der Platzwart, zur Hilfe und rettete uns aus der Situation. Für die Nacht mit dem Zelt verlangte er einen lächerlich geringen Betrag und erklärte uns sogar noch, welches Holz wir für ein Lagerfeuer nutzen konnten. Wir ließen den Abend also mit Schwimmen und Gitarre spielen am Lagerfeuer ausklingen und gingen anschließend vom Glück beseelt ins Zelt.

von Vincent Kliem
am 18.07.2021
Start
Zarnowiec
🇵🇱 Polen
Ziel
Gdańsk
🇵🇱 Polen
Strecke
80,88
km

Nachdem wir es uns in unserem Hostel La Guitarra gemütlich gemacht haben - unser Zimmer hieß übrigens Keith Richards, nicht die schlechteste Wahl - und die nötigen hygienischen Maßnahmen ergriffen hatten, um uns unter Menschen zu wagen, spazierten wir in Richtung Innenstadt. Die nette Frau an der Rezeption empfahl uns die „Piwna“, zu deutsch: Bierstraße - ideal für unsere Abendpläne. Wir spazierten vorbei am Hafen mit einigen schicken Yachten und einem dämlichen Pseudopiraten-Ausflugsschiff mit Fakesegeln, von dessen Sorte wir bisher in jedem polnischen Hafen eines gesehen haben.

In der Bierstraße fanden wir tatsächlich viele nette Bars und Kneipen. Unsere erste Wahl fiel auf einen kleinen aber feinen Innenhof und tatsächlich war die Bierauswahl sehr beachtlich. Etwas überfordert mit dieser bekamen wir auf die Frage, was denn das Getränk mit dem fancy Namen „Fortuna 11“ für ein Bier sei, die Antwort: „Fortuna is the Beer, 11 the price!“

Nach einigen Runden Skat meldeten sich beim Reizen auch immer deutlicher unsere Mägen zu Wort, und so gingen wir auf die Suche nach einem Abendessen. Wir fanden ein Restaurant, das sich vornehmlich auf Piroggen (im Prinzip die polnische Version der Maultasche - nur anders 😉) spezialisiert hatte. Wir gönnten uns gemeinsam den Teller mit 36 gemischten Füllungen. Soweit wir es rausschmecken konnten, waren in unterschiedlichen Füllungen dabei: Kraut, Pilze, Hackfleisch, Fisch und zum Nachtisch Quark und Beeren. Allesamt sehr, sehr lecker.

Nach dem wir unsere Bäuche vollgeschlagen hatten ließen wir den Abend in der sehr hippen Bar „Jozef K“ am Ende der Straße mit einigen Pale Ales ausklingen.

Für den nächsten morgen hatten wir uns einen Platz für die Free Walking Tour ergattert und spazierten mit unserem sehr unterhaltsamen Guide drei Stunden lang durch die Danziger Innenstadt. Wir lernten viel über die Danziger Geschichte geprägt von Handel und Reichtum (Hansestadt!) und den stetig wechselnden Bewohnern der Stadt. Hier lebten Polen, Deutsche, Holländer...

Besonders bewegend war der Abschluss der Tour. Diese endete am ehemaligen polnischen Postamt. Das mag unspektakulär klingen, ist aber tatsächlich ein wirklich geschichtsteächtiger Ort. Fesselnd erzählte uns der Guide warum:

Nach dem ersten Weltkrieg wurde im Vertrag von Versailles festgelegt, dass Danzig weder zu Deutschland noch zu Polen gehören solle, sondern den Status einer freien Stadt bekäme. Eine Bedingung war dabei die Entmilitarisierung des Gebietes. Zu dieser Zeit bestand die Bevölkerung Danzigs zu 90% aus Deutschen. Ein wichtiges Symbol und Service für die Polen war daher das polnische Postamt, das es parallel zur Danziger Post mit eigenen Briefkästen gab. Als die Rhetorik der Nazis immer grausamer wurde und ein Krieg unausweichlich schien, rüsteten heimlich die „Postbeamten“ auf. Ziel war es bei einem möglichen Überfall die wenigen Stunden durchzuhalten, bis Verstärkung durch die polnischen Armee kommen konnte. Mit dieser Vorahnung lagen sie leider richtig. Nach dem angeblichen und fingierten Überfall auf den Sender Gleiwitz am 01.09.1939, begann der Überfall auf Polen genau hier und damit auch der Beginn des zweiten Weltkriegs. Die Propagandapresse der Deutschen stand schon bereit, um die Einnahme des polnischen Postamtes symbolträchtig zu inszenieren, doch die mutigen Postbeamten wehrten sich in ihrer Verzweiflung so gut es ging. Sie wussten nicht, dass keine Verstärkung kommen konnte. Erst nachdem das Gebäude voll Benzin gepumpt und in Flammen gesetzt worden war, gaben die Verteidiger auf. Von Ihnen überlebte keiner den Krieg.

Das Postamt ist wieder aufgebaut und vor Ort erinnert eine Skulptur an diesen erbarmungslosen Kampf.

Fünf furchtbare Jahre später wurde Danzig von der Roten Armee „befreit“ - was bedeutete, dass es fast komplett zerstört wurde. Glücklicherweise, wurde vieles wieder aufgebaut und nur bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass wohl einiges nicht mehr ganz „original“ ist.

Nach der Stadtführung nutzten wir mal wieder die Vorzüge einer Großstadt für einige Erledigungen. Während Moritz eine neue Isomatte kaufen ging - seine hat inzwischen eine monströse Beule, suchten Jared und ich einen Friseur auf, da wir gegen das Gewucher auf unseren Köpfen dringend etwas unternehmen müssen. Wir fanden einen urigen kleinen Salon auf einer Galerie in einer Markthalle. Leider musste sich die Friseurin noch mit einem Deutschen und seiner Frau rumschlagen. Es bestand wohl ein Kommunikationsproblem darüber, wie kurz die Haare geschnitten werden sollten, wobei das Englisch der rasenden Ehefrau auch nicht das Prädikat Oxford verdient hätte. Die beiden führten sich dermaßen peinlich auf, dass wir uns wirklich fremdschämen mussten. Es war leider nicht das erste Mal, dass wir miterleben mussten, wie sich deutsche Touristen im Ausland danebenbenahmen. Als wir die beiden daran hindern wollten, den Friseurladen ohne zu zahlen zu verlassen, kassierten wir von der Furie auch noch ein „Arschloch“, was diese nette Begegnung noch abrundete.

Wir versuchten unser bestes, diesen bescheidenen Eindruck deutscher Höflichkeit wieder auszugleichen und setzten auf volle Charmeoffensive. Gottseidank konnte die Chefin des Ladens es auch ein wenig mit Humor nehmen und wir erzählten von unsere Reise. Sehr zufrieden über unseren neuen Haarschnitt trafen wir uns mit einem sehr zufriedenen Moritz mit neuer Isomatte im Gepäck und von unangenehmen Begegnungen mit Deutschen verschont. Mit einer Runde Nudel mit Pesto am Hafen ließen wir unseren Danzigbesuch ausklingen.

von Jared Faißt
am 17.07.2021
Start
Kluki
🇵🇱 Polen
Ziel
Zarnowiec
🇵🇱 Polen
Strecke
67,21
km

Die Nacht war für mich zwar erholsam, aber auch nur dank der aufmerksamen Mitschläfer, die den nichtangekündigten Regen immerhin bemerkten und unser nacktes Innenzelt mit dem Außenzelt überzogen. Ich wachte nur kurz auf, als die beiden bereits die Zeltplane fixiert hatten. Dafür wachte ich am nächsten Morgen früh auf und konnte schonmal Frühstück richten. Kurz später kamen auch die benachbarten belgischen Camper aus ihrem Bus. Die 2 kleinen Töchter hatten uns schnell als Ballspielpartner auserkoren und von der Nummer kamen wir auch nur schwer wieder weg. Daher musste die morgendliche Routine parallel zu Ballholen und Zuwerfen erfolgen und die Bespaßung erfolgte in Schichten. Irgendwann hatten wir alles beisammen und dann war für alle der Spaß vorbei. Die Bälle der Mädels wurden eingepackt, als sie schließlich auch die Reise fortsetzten und wir mussten wieder aufs Rad…. Auf einem in Komoot eingezeichneten Wanderweg durchs Sumpfgebiet. Die Staßenqualität bei einer Umfahrung des Gebiets wäre auch nicht optimal gewesen und so dachten wir kann man die 10km schon irgendwie durchstehen. Es kam aber deutlich härter als gedacht.

Nicht nur die engen, matschigen Radwege stellten sich als Problem heraus. Auch die sehr gut intakte Natur in Form von Mücken und anderen Blutsaugern quälte uns zunehmend. Lustigerweise trafen wir aber genau hier weitere Radreisende. 2 frische Abiturientinnen aus Hannover radeln ebenfalls den EuroVelo 13 entlang bis nach Danzig, um von dort nach Schweden überzusetzen. Wir unterhielten uns eine Weile und so konnte man die Strapazen etwas verdrängen. Nach 20 km zurückgelegt in einem Schnitt unter 10 km/h kamen wir endlich wieder auf Asphalt an.

Moritz‘ Freude über den ersehnten Asphalt

Dort folgten wir dann den guten Straßen Richtung Süden, um den schwer zu befahrenden Küstenabschnitte auszuweichen. Von dort ging es dann weiter nach Westen bis wir den ehemaligen Grenzfluss zu Polen erreichten. Hier tuckerten noch die letzten Kayaks Richtung Ostsee und wir machten es uns schon einmal auf einem der grünen Parkplätze dort am Fluss gemütlich. Nach ausgiebigem Waschen (sowohl wir als auch die Räder) gingen wir schließlich schlafen.

Am nächsten Morgen war ich mal wieder der erste, der das Zelt verließ. Ich setzte mich schon einmal an die Bank auf dem Parkplatz und bereitete Frühstück und Kaffee vor. Moritz kam etwa eine Stunde später herausgekrochen und fragte mich, ob ich seinen Schuh 20m weiter verschleppt hätte. Als dann schließlich auch noch Vincent fragte, warum sein FlipFlop nicht mehr am Zelt lag, war wohl klar, da war ein Fuchs zu Besuch über Nacht! Immerhin waren keine Gegenstände allzuweit verschleppt und so konnten wir ohne Verluste alles zusammenpacken. Während des Frühstücks wollte ich in der Morgensonne noch die Solarplatte auslegen zum Laden. Ich war bereits am Abend verwundert, dass sehr wenig Leistung rauskam aber verschob das Problem auf den heutigen Tag. Leider bestätigte sich das Problem, irgendwas stimmt hier nicht , aber zuerst noch eine kurze Vorstellung der Stromversorgung:

Solarplatte in Action

Gepäckstück des Tages: Solarplatte

Es ist wohl anhand des Blogs zu erahnen, dass wir technisch gesehen nicht gerade ‚wild‘ unterwegs sind. Wir haben schließlich 3 Stirnlampen, ein Fotoapparat, eine GoPro, eine Drohne, 3 iPhones und ein iPad dabei und alle sind sehr durstig nach Elektrizität. Daher haben wir eine faltbare Solarplatte dabei in Kombination mit 2 Powerbanks (gesamt: 40.000 mAh). Das kleine Kraftwerk ist von der Marke Suaoki und kann nominell 21W Output geben mit 2 USB Slots (realistisch im Idealfall 15W). Das reicht super, um die Powerbanks sogar per QuickCharge zu laden. Ideal ist die Platte vor allem auch in Kombination mit den Fahrradtaschen. Die Rollverschlüsse meiner Hintertaschen eignen sich super um die Solarplatte darin einzuklemmen. So kann ganz bequem tagsüber geladen werden.

Und nun zurück zum Problem: Ich vermutete bereits einen Kabelriss irgendwo in der Verschaltung, schließlich änderte sich die Leistung kaum, wenn ich die hinteren beiden Solarplatten abdeckte. Es blieb also nichts anderes übrig als den Stoff aufzuschneiden und nachzusehen. Tatsächlich war ein Kabel an der Knickstelle gerissen (es war wohl auch nicht auf Langlebigkeit ausgelegt). Wir nahmen mal wieder eines unserer defekten iPhone Ladekabel zu Hand, um eine Kabelader abzuisolieren und als kleine elektrische Brücke mithilfe von Klebeband zu nutzen. Nun funktionierte das Gerät wieder wie gewohnt, sieht aber jetzt etwas zerfleddert aus und muss vermutlich mal noch beim nächsten Baumarktbesuch überarbeitet werden.

Um Punkt 9 kam dann die Flut von Kayaks und mit ihnen die Touristen über uns herein. In Windeseile packten wir unser Zeug zusammen und brachen auf Richtung Danzig. Der Wind war heute anfangs optimal und trieb uns bis zur Bucht vor Danzig. Dort ging es dann Richtung Süden, zuerst durch Gdynia, wo wir noch eine leckere Pizza verspeisten und schließlich weiter nach Danzig, wo wir unser Schlafquartier im Hostel La Guitarra bezogen.

Hafen von Gdynia
von Moritz Spannenkrebs
am 15.07.2021
Start
Kolobrzeg
🇵🇱 Polen
Ziel
Kopan
🇵🇱 Polen
Strecke
81,98
km

An diesem Tag erwachten wir alle recht zeitig, da uns der Strand wenig Schutz vor der Morgensonne bot. Natürlich nutzten wir alle das Meer vor unserer Zelttür für eine morgendliche Erfrischung. Gerade wenn man den ganzen Tag schwitzend auf dem Rad sitzt, tut es gut, sich morgens noch ein paar Stunden wie ein Mensch zu fühlen. Kaum dass wir unsere Sachen einigermaßen gepackt hatte, kam eine Gruppe von drei Männern den Strand im Traktor entlanggefahren. Wir hatten noch kurz Bedenken, ob da wohl Ärger auf uns zurollen könnte, aber sahen dann schnell, dass die Männer für das Leeren der Mülleimer zuständig waren. Also begrüßten wir die drei freundlich in unserem flüssigen Polnisch (Wortschatzgröße: 3) und machten uns auf den Weg. Da es noch relativ früh war, hatten wir angenehme Temperaturen und der Wind half uns ein wenig auf einem sehr schönen, schattigen Weg entlang der Ostsee. Mit einem kurzen Stop für Wasser und ein paar Runden Skat erreichten wir vor Einsetzen der Mittagshitze einen sehr schönen Pausenplatz und hatten bereits über 40 Kilometer geschafft ohne uns wirklich anzustrengen. Die Mittagspause wurde genutzt, um den Blog und die Räder auf Vordermann zu bringen und die eine oder andere Tasse Kaffee zu trinken. Nach einer mehr als ausgiebigen Pause ging es nachmittags weiter. Für mich war es immernoch schwer erträglich heiß, aber der Gegenwind brachte Abkühlung und Ablenkung, da er ein akuteres Problem darstellte als die Temperaturen.

Morgendlicher Betrieb am Strand

Ein besonderes Highlight des Tages war der Trip von Vincent und mir zum Supermarkt. Aus Gewohnheit waren wir davon ausgegangen, die Wasserkanister direkt am Eingang zu finden. Da sie dort nicht anzutreffen waren, irrten wir orientierungslos im Laden herum. Nachdem wir fünfmal im Kreis gelaufen waren, entdeckten wir mehr oder weniger gleichzeitig ein großes Schild mit der Aufschrift „Woda“, welches uns in einen Nebenraum führte. Bei genauerem Umsehen wurde uns klar, dass alle Wände, Decken und soar der Fußboden mit derartigen Schildern bestückt waren. Im Nachhinein war uns absolut unbegreiflich, wie man in diesem Laden irgendetwas anderes als die „Woda“-Schilder wahrnehmen konnte. In diesem Moment machten wir uns dann doch den einen oder anderen Gedanke darüber, was das tägliche Radfahren mit unserer Zurechnungsfähigkeit anstellte…

Zum Abend hin fuhren wir einige Kilometer entlang einer dünnen Landzunge zwischen Meer und Seen, auf der nur ein einziger Weg und der Strand entlangführten. Da wir erschöpft waren, beschlossen wir etwas abseits des Weges an einer einsamen Stelle am Rande des Strandes zu nächtigen. Der Platz war wunderschön und wie irgendjemand von uns noch feststellte gab es auch „gar keine Mücken hier“. Man konnte toll im Meer schwimmen und über die Wellenbrecher bis weit ins tiefe Wasser hinaus gehen. Wir kochten, gingen Schwimmen, telefonierten, warfen die Frisbee und hatten insgesamt einen super Abend.

Unser Strand - fast ohne Mücken!

Doch als wir uns gerade in tiefster Sicherheit wiegten, begann es: Innerhalb von 15 Minuten verwandelte sich der friedliche Ort in ein Schlachtfeld… und wir waren die Bauernopfer. Nachdem wir zwei Stunden lang keine Mücke erblickt hatten, waren plötzlich alle Mücken der Welt da. Tatsächlich kamen so schnell so viele der Untiere, dass wir die Hälfte unserer Sachen liegen lassen mussten. Telefonate wurden plötzlich beendet und Geschirr ungespühlt liegen gelassen. Alles musste im Laufschritt erledigt werden, um die feindlichen Landemanöver möglichst zu erschweren. Weder Autan und Antibrumm, noch lange Kleidung konnten hier mehr helfen, da jeder ungeschützte Quadratzentimeter sofort von zehn Blutsaugern besetzt war. Die schiere Masse an Flugtieren führte dazu, dass jede Schwachstelle unserer Verteidigung genutzt wurde. Sogar zwischen den Haaren und auf die Lippen stachen die Monster. Also blieb als Rettung nur noch unser Zelt, welches glücklicherweise bereits aufgebaut war. Beim Betreten des hermetisch abgeriegelten Bereichs wurden höchste Sicherheitsstandards eingehalten und so konnte tatsächlich eine dünne und löchrige, aber sichere Barriere zwischen uns und den Blutsaugern gehalten werden. Nachdem sich geschätzte 10.000 Mücken zwischen unserem Innenzelt und Außenzelt gesammelt hatten, blieb kaum ein Zentimeter unbesetzt. Jeder Schlag gegen die Zeltwand schreckte die Tiere auf und hatte sofort ein dröhnend lautes Summen zur Folge. Selbst Stephen King hätte solchen Horror nicht erdenken können! Jede kleine Unachtsamkeit in Form einer Berührung des Innenzelts VON INNEN wurde mit einer saftigen Blutspende bestraft. Wir stellten uns einige überlebensentscheidende Frage: War wirklich kein einziges Loch im Innenzelt? Würden die Mücken am nächsten Morgen immer noch da sein? Und würde das Zelt unter der schieren Masse an Insekten nicht einfach zusammenbrechen? Nachdem wir uns mit einem Film ein wenig von unserer ausweglosen Situation abgelenkt hatten fielen wir alle irgendwann von unserer Angst völlig erschöpft in einen unruhigen Schlaf.

Nach der Schreckensnacht erwachten wir, immernoch umgeben von tausenden, wenn auch mittlerweile recht lethargischen, Mücken.

Jared, dessen Schlaf wohl kaum beeinträchtigt worden war, joggte beim ersten Wecker direkt motiviert aus dem Zelt. Bei mir brauchte es geschätzte sechs weitere Klingeltöne und Vincent lag auch noch im Zelt, als Jared und ich längst gefrühstückt, Kaffee getrunken, unsere Schlafsäcke und Isomatten gepackt und - in meinem Fall - das gesamte heute Journal gehört hatten. Als wir dann schließlich aufbrachen, knallte die Sonne bereits wieder mit voller Stärke auf uns und unsere Räder nieder. Gut für die PV-Anlage, schlecht für unsere Köpfe. Trotz Sonnenschein und spätem Aufstehen erreichten wir mittags einigermaßen rechtzeitig vor der maximalen Hitze nach etwa 40 Kilometern unseren Pausenplatz in Ustka. Dort fanden wir einen Spielplatz mit großem Pavillon, samt Bänken und Tischen. Sogar ein Wasserhahn war vorhanden, wodurch wir unser Trinkwasser nicht zum Nudeln kochen nutzen mussten. Mit getrockneten Tomaten, Feta, gerösteten Sonnenblumenkernen, frischen Tomaten, Paprika, Rucola und (je nach Gusto) Oliven gab es einen köstlichen Nudelsalat. Nachdem wir unsere Verdauungspause abgewartet hatten, arbeiteten wir noch ein wenig am Blog und warfen noch die eine oder andere Frisbee durch die Luft. Dank unseres Wasserfilters konnten wir noch alle Flaschen füllen und machten uns anschließend wieder auf den Weg. Die Strecke führte uns weiter entlang der Küste und durch den Ort Rowy. Dort wurden wir von einer Schranke und einem zugehörigen Kassenhäuschen mitsamt Kassierer überrascht. Uns wurde klar, dass der Eurovelo hier mitten durch den Naturschutzpark Narodowy führte. Um 21 Zloty erleichtert radelten wir also durch den naturbelassenen Wald vorbei an Kiefern, Birken und Farnen.

Etwa 20 km weiter hofften wir einen schönen Schlafplatz am Badesee zu finden. Der Weg dahin machte eine langsame aber stetige Entwicklung vom schönen Schotterweg zum anspruchsvollen Grasweg und schließlich zu einem langgezogenen, unbefahrbaren Sandkasten durch. Unsere Räder rollten nicht mehr orthogonal zur Nabe sondern rutschen parallel dazu, um dann im tieferen Sand komplett stecken zu bleiben. Hier war erstmals einige Minuten Schieben angesagt. Es sollte ein leichter Vorgeschmack auf die Misere des nächsten Tages werden...

Bräune oder Sand?

Was auf der Karte wie ein schöner Badesee aussah, entpuppte sich leider sich leider auch eher als Anglerparadies. Das Wasser war kaum 40 cm tief und trotzdem dunkel wie die Tiefsee. Unsere Enttäuschung darüber wich schnell, als wir mit einem jungen Belgier ins Gespräch kamen. Er fragte uns über unsere Tour aus und wir merkten schnell (auch an seinem Shirt mit Aufschrieb „cycle-the-world!“), dass er bei dem Thema wohl alles andere als unerfahren war. Auf unsere Nachfrage hin erzählte er, dass er mit zwei Freunden in vier Touren zu jeweils ca. drei Monaten einmal um die Welt geradelt sei. Dabei gingen die Routen von Amsterdam nach Togo, dann einmal quer durch Südamerika, bei der nächsten Tour von Singapur nach Peking und zum Schluss von Kirgisistan zurück nach Belgien. Nachdem wir uns eine Weile unterhalten hatten, erklärte er uns, dass er unweit an einem Wanderparkplatz mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern übernachte. Leider nicht mit Fahrrad und Zelt, sondern im komfortablen Campingbus - ein erster Schritt, um seine Frau auf den Geschmack zu bringen. Durch ihn ermutigt, beschlossen wir auch auf dem Parkplatz unser Zelt aufzuschlagen, obwohl ein großes Schild mit durchgestrichenem Zelt davor aufgebaut war. Über dessen Bedeutung sind wir uns immernoch nicht final einig geworden…

von Vincent Kliem
am 14.07.2021
Start
Wiselka
🇵🇱 Polen
Ziel
Kolobrzeg
🇵🇱 Polen
Strecke
85,85
km

Nachdem wir uns jetzt von Berlin bis an die Ostseeküste vorgeradelt haben, geht es jetzt entlang dieser durch Polen. Das weckt einige schöne Erinnerungen und Urlaubsgefühle bei mir, denn als Kind waren wir jahrelang mit der ganzen (polnisch stämmigen) Großfamilie im kleinen Küstenort Dźwirzyno im Urlaub. Gut kann ich mich noch erinnern, wie wir morgens um 4 Uhr mit dem Auto in Würzburg aufbrachen und über Berlin bis nach Polen fuhren. Dass man irgendwann nach Polen kam, merkte man vor allem am rhythmischen Klappern des Autos auf den aus einzelnen Betonplatten bestehenden Straßen. Auch wenn wir uns sehr auf die polnische Küste freuten, waren wir vorsichtig optimistisch was die Ausbaustufe der polnischen Radwege anging.

Radeln mit den Schweizern

So fuhren wir auf Usedom über die deutsch-polnische Grenze und auf einmal: wunderbare Radwege, gut asphaltierte Straßen, ausgeschilderte Fernradwege…

Spätestens als wir auf der Fähre durch den Swinemünder Hafen auf die Frage, was es denn kosten würde, die Antwort bekamen „It‘s free“, war der erste Eindruck perfekt. Doch auch wenn sich vieles getan hat in den letzten 20 Jahren, erinnerte mich vieles an die Urlaube hier: Die Kettcars, die Airhockey-Tische und die Ramschläden an jeder Ecke in den Urlaubsorten gibt es noch. Wir fuhren durch den Nationalpark Wolin und in den Ort Wiselka, wo wir spontan eine wunderbare Pension mit Garten fanden, wo wir unsere Akkus und die unserer Geräte aufladen konnten.

Am nächsten morgen ging es weiter an der Ostseeküste entlang. Nach wenigen Kilometern trafen wir eine nette Gruppe Schweizer, mit denen wir ins Gespräch kamen und einige Kilometer gemeinsam fuhren. Für Sie ging die Route von Hamburg aus bis nach Tallin. Das absolute Highlight ihrer Ausrüstung war die auf den Gepäckträger gespannte Angel, ideal für den Ostseeradweg. Warum hatten wir diese Idee nicht?

Wir tauschten Handynummern aus und verabschiedeten uns mit der Gewissheit, dass wir uns bestimmt auf dem Weg noch einmal begegnen werden. Bei einer ausgiebigen Käsebrotpause trainierten wir auf dem Schotterweg vor unserer Bank den Frisbee-Skip-Shot. Dabei stellt der Werfer die Frisbee unter einem bestimmten Winkel an. Die Frisbee springt dadurch vom Boden wieder hoch. Der Fänger läuft von seiner Ausgangsposition 20 Meter und sucht die Frisbee im Gebüsch… naja, wir üben noch!

Nach der Pause und dem verzweifelten Versuch das Schrumpfen unserer Armmuskulatur durch Frisbeesport zu verlangsamen, kamen wir in ein furchtbares Unwetter. Da wir mit dem Anziehen der Regenmontur zu zögerlich waren und eh alles nass war, hielt uns nichts mehr davon ab einfach durch den Regen und das Gewitter durchzuballern. Auf unserem Weg waren eh schon alle Schutzhütten, die es übrigens in Polen entlang der Radwege zu Hauf gibt, mit flüchtenden Radler*innen besetzt.

Nach einer guten Stunde verzog sich das Unwetter und wir suchten uns einen Platz auf den Dünen zum pausieren und baden.

Unsere Hütte von damals (2001)

Schließlich kamen wir nach Dźwirzyno. Zuletzt war ich hier vor etwa 15 Jahren und so viel hatte sich garnicht verändert. Am Hafen gönnten wir uns sehr leckeren geräucherten Fisch. Anschließend mogelte ich mich vorbei am Pförtner auf die Ferienanlage, auf der wir früher Jahr für Jahr im Urlaub waren. Es hatte sich absolut garnichts verändert, nur das alles tatsächlich viel, viel kleiner war, als in meiner Erinnerung. Das „riesengroße Basketballfeld“ hatte nicht einmal annähernd Normalgröße und unser altes Ferienhaus war eher eine kleine Hütte.

Am Gofrystand vor der Anlage gönnten wir uns noch leckere Waffeln und fuhren noch ein Stückchen weiter, bis wir ein abgelegenes Stückchen Strand fanden, an dem wir unser Zelt aufschlagen konnten.