Heute hatten wir mal wieder eine Menge vor. Leider hatte Vincent‘s iPad (was wir nutzen, um den Blog zu betreiben) einen Riss im Bildschirm bekommen ohne Fremdeinwirkung und die 1-Jahr Garantie läuft tatsächlich in genau 5 Tagen ab. Daher wurde schleunigst der nächste Apple Store in Rom anvisiert. In Rom selbst wurde auch gleich ein Camping Platz für 2 Nächte gebucht, damit wir uns noch einen freien Tag in dieser imposanten Stadt genehmigen können. Dank wegfallender Schlafplatzsuche konnte der Tag dann auch etwas entspannter angegangen werden. Die erste Lektion, die wir aber an unserem heutigen Schlafplatz am Strand vor Latina gelernt haben ist
Sand ist nicht gleich Sand!
Bisher hatten wir recht erfolgreich an Stränden genächtigt, ohne größere Probleme mit den Sandkörnern zu bekommen. Jedoch war der Sand bisher auch meist eher grobkörnig, was die Entledigung dieser Steinchen vorm Zelteinstieg natürlich enorm erleichtert. Dieses Mal mussten wir feststellen wie zäh sehr feiner Sand in dieser Hinsicht sein kann. Wir haben ihn kaum von unseren Töpfen klopfen können und auch nicht von unseren Füße anständig abgerubbelt bekommen.. der Sand war einfach überall. Wir sind daher am Morgen direkt zum benachbarten See rübergerollt, um dort die sandigen Sachen noch einigermaßen zu reinigen und mit dem übrig gebliebenen Wasser noch ein Porridge zu richten. Gestärkt und halbwegs sauber ging es dann los durch Latina weiter Richtung Rom. Ziemlich genau auf halber Strecke legten wir die Mittagsrast ein. Wir wählten recht willkürlich einen Parkplatz neben einer maroden Halle, bei der ein Baum etwas Schatten spendete. Wie üblich mittlerweile wurde Tomaten mit Knoblauch auf angebratenem Baguette gevespert. Ab und an konnte man ein seltsames Knallgeräusch in der Halle vernehmen. Als wir einen vorsichtigen Blick durch die Gitterfenster warfen, erkannten wir auch ein paar Kugeln darin, mit denen geworfen wurde und es erinnerte stark an das Spiel Boule.
MVP des Tages: Präsident
Nachdem wir uns satt gegessen hatten und gerade zusammengepackt haben, kam ein Mann heraus und erkundigte sich nach unserer Reise. Ich erklärte ihm, wieviel Kilometer wir so täglich machen und was heute noch ansteht und das geht mittlerweile komischerweise auch auf „italienisch“ ganz gut. Der Schlachtplan für solche Konversationen ist dann immer fieberhaft zu versuchen, Wörter aufzuschnappen, die es im spanischen, französischen oder Latein gibt und sich dann zusammenzureimen, was dem Gegenüber wohl gerade durch den Kopf schwirrt. Er bot uns anschließend einen Espresso in der Vereinshalle an und erklärte uns, dass es sich hier um Bocce handelt (deutsch gesprochen: Bodschia.. oder so). Die ganzen Trophäen auf den Regalen und das professionelle Equipment deuteten daraufhin, dass es sich nicht (wie ich dachte) rein um einen Aldi-Aktions Sport handelt, der sonst immer beim Campingurlaub zu finden ist. Die Bahn beim Bocce misst in etwa 30m mal 3m und besteht aus asphaltiertem Untergrund. Unsere Lust auf eine Runde zocken war uns wohl anzusehen und schließlich forderte der Präsident uns dann auch zu einer Runde heraus. Wir waren anfangs erstaunt wie wenig Schwung der Kugel mitgegeben wird, aber sie rollt natürlich auch umso besser auf dem harten und ebenen Untergrund. Nun war es also an uns seiner ersten Kugel nachzuziehen. Während Katha wohl noch zu viel Power in den Armen hatte, hat Vincent sich schon deutlich besser angenähert. Ich durfte dann als Abschluss der ersten Runde meine Kugel werfen und wurde eine halbe Sekunde nach Abwurf direkt mit Bravos des Präsidenten gelobt, der sicher schon mit all seiner Erfahrung direkt wusste, dass ich tatsächlich näher an die kleine Kugel kommen werde. Stolz forderte ich natürlich sofort ein Foto ein. Mein direkter Triumph hat ihn wohl aber auch etwas gekränkt und er murmelte etwas von „Fortuna ...“, was vermutlich irgendwas mit Anfängerglück meinte.
Schnell holte er die Kugeln wieder zurück und zwang uns zu einer zweiten Runde. Dieses mal hatten wir alle etwas weniger Fortuna und die Nervosität trieb die Kugeln dieses Mal deutlich weiter nach hinten. Feiernd nötigte er mich dazu, auch davon ein Bild zu machen... also hier ist auch das zweite Resultat.
Anschließend verabschiedeten wir uns von ihm und machten uns auch die zweite Hälfte der heutigen Etappe. Der Verkehr nahm immer mehr zu und irgendwann waren wir dann tatsächlich am Ortsschild von Roma. Wir hielten kurz inne und waren allesamt sehr happy, diesen Meilenstein erreicht zu haben. Wir steuerten dann ziemlich direkt den Apple Store an, um, wenn möglich, Vincent‘s iPad noch umzutauschen. Angekommen vor der rieseigen Mall, versuchte Vincent alles ihm mögliche zu tun, um sich vom verlotterten Reiseradler in einen seriösen Applekunden zu transformieren, dem man abnehmen konnte, dass er pfleglich mit seinem Equipment umging. Wir taten unser bestes und legten unsere schicksten Sachen zusammen. Vincent bekam meine beste Hose mit nur einem Fleck, festes Schuhwerk, Fingernägel wurden nochmal geschnitten und das Halstuch wurde lieber versteckt. Seriös sahen wir immer noch nicht aus, aber unsere Chancen standen sicherlich schon etwas besser. In der Mall musste zuerst der Apple Store gefunden werden. Wir wurden nach einer Weile rumlaufen auch fündig und begegneten dort unserem 2. MVP des Tages:
MVP 2 des Tages: Apple Mitarbeiter
Ohne Termin und obwohl bis am nächsten Tag auch kein Zeitslot mehr frei gewesen wäre hat ein gnädiger Apple Mitarbeiter uns doch noch unserem Problem angenommen und das iPad direkt ersetzt. Wir alle, aber vor allem Vincent war sehr erleichtert, da eine Displayreparatur eigentlich schon Totalschaden bedeutet bei diesem Gerät.
Wir steuerten mit letzten Kräften den Campingplatz in Rom an und bezogen dort nach zuvor 3 Strandnächten mal wieder ein kleines Bungalow. Am nächsten Tag wollen wir die Räder mal wieder ruhen lassen und uns Rom anschauen gehen.
Die Strecke hinter Sorrent war gar nicht nach unserem Geschmack und Neapel, wo wir vorbeifuhren, auch nicht. Überall lag Müll herum und der Verkehr war laut. Die Straße bestand zu einem großen Teil aus Kopfsteinpflaster, was auf Dauer super nervig ist. Und sogar unsere Barpause war nicht entspannt, sondern hat uns weitere Nerven gekostet. In einem Café namens „Antistress Bar“ bestellte Vincent wie immer „3 Cappuccini“. Als ich vor dem Eintreffen der Kaffees auf die Toilette ging, fragte mich die Frau hinter der dem Tresen, ob ich „Cappuccino grande“ möchte. Ich war zwar ein wenig verwundert, weil was soll in Italien denn bitte „Cappuccino grande“ sein, aber dachte, dass Vincent das sicher bestellt hat und bejahte ihre Frage also (Alles natürlich auf halb Englisch, halb Italienisch, was die Kommunikation eh immer schwierig macht). An unseren Tisch wurde schließlich ein Longdrink-ähnliches Gefäß gebracht mit sehr viel Milch darin und wohl einem einfachen Espresso. Die Bedienung brachte noch eine Untertasse hinterher, die verdächtig danach aussah, als wäre sie die Untertasse von einer stinknormalen Cappuccinotasse. Es war viel zu viel und schmeckte nicht besonders gut. Als ich zahlen ging, standen in der Bar plötzlich ungefähr 6 weitere männliche Bedienstete, die davor noch nicht da waren und pro Cappuccino wurden 5€ verlangt. Normalerweise kostet der Spaß für 1 Tasse 1,50€. Auch Vincents Nachfrage nach einer Preisliste, die sie „wegen Corona“ nicht hatten, half uns nicht weiter. Sehr wütend darüber, dass wir reingelegt wurden, fuhren wir weiter und konnten das Radfahren erstmal nicht genießen. Das war nicht so schlimm, weil Neapel sowieso hässlich ist. Nach ca einer halben Stunde hielten wir dann trotzdem an und legten eine kleine Boxpause ein mit Vincents Fahrradtasche als Boxsack, um unsere Wut hinter uns zu lassen. Das war zwar nur halb professionell (fast hätte es eine Verletzung gegeben dabei), half aber.
Abends hatten wir Glück, denn auf dem Weg zum Strand befanden wir uns plötzlich mitten auf einem Reiterhof. Eine Frau und ihr Sohn erlaubten uns, im direkt angrenzenden Wald zu schlafen. Morgens war Jared schon früh wach, weil er von einem seltsamen Geräusch geweckt wurde, welches sich regelmäßig wiederholte. Als er beschloss, aufzustehen und sich die Sache näher anzuschauen, erkannte er, dass das Geräusch von Pferderennwägen kam, die à la Asterix und Obelix durch den Wald düsten. Doch zum Glück schien es niemanden zu wundern, dass wir im Wald geschlafen hatten. Wahrscheinlich ist der gesamte Reiterhof schon vorgewarnt worden. Wir hingegen waren schon etwas verwundert über die vielen Rennfahrer im Wald. Den Tag über fuhren wir zur Abwechslung mal Fahrrad. Die Landstriche, die wir dabei kreuzten waren vor allem von Armut und Müll geprägt. Trotzdem fanden wir auch mal einen schönen Strand für eine Pause.
MVP des Tages: Unbekannt
Um 17.00 beschlossen wir, dass wir mit unserer sportlichen Leistung für den Tag zufrieden waren und verbrachten den Abend in einer Bar mit zuerst Kaffee, dann Bier. Wir freuten uns unglaublich darüber, dass die Barbesitzerin nach einiger Zeit an unseren Tisch kam und uns mitteilte, dass ein uns unbekannter Mann ungefragt unsere Rechnung übernommen hat. Sie richtete uns von ihm ein „Welcome to Italy“ aus und der MVP des Tages winkte noch kurz vor dem Losfahren aus dem Autofenster. Lustigerweise betrug die Rechnung dank den „Birre GRANDE“, die Jared uns bestellt hatte, genau 14,70€, was ungefähr dem Betrag entsprach, den wir am Tag vorher im Antistress-Café „verloren“ hatten. Die Freude war vor allem so groß, weil wir mitterweile aufgrund dieser blöden Maschen in den Bars und Cafes dazu tendierten, immer überversichtig nachzufragen, was wieviel kostet und ob es überhaupt eine Preisliste gibt ohne dass wir einfach mal entspannt Cappuccino schlürfen konnten... Nun war das zum Glück wieder vergessen und Italien war wieder zum Genießen.
Auch der Schlafplatz in einer einsamen Bucht war hervorragend. Als es dunkel war, waren sogar viele Glühwürmchen zu sehen. Die Bucht blieb leider nicht die ganze Nacht einsam, denn um ca. 1 Uhr nachts kamen Angler, die tatsächlich angeln wollten und selbst zu dieser späten Stunde noch angeregt ein Schwätzchen hielten. Sie blieben die ganze Nacht und gingen morgens wieder nach Hause, als wir unser Zelt zusammenpackten. Wirklich sehr seltsam.. Vielleicht gibt es Nachts größere Fische zu fangen. Das meinte zumindest Jared.
Heute hatten wir uns nach mittlerweile 14 Etappen vorgenommen, einen Pausetag mit Kultur einzulegen und die Fahrräder zum ersten mal (seit den Zugreisetagen) ruhen zu lassen. Geplant hatten wir, zuerst eine Bucht aus Vincents Erinnerungen aufzusuchen und schwimmen zu gehen und anschließend nach Pompei zu reisen per Zug und die Ruinenstadt besichtigen. Schnell wurde dann doch wieder klar, wie praktisch doch so Fahrräder sind, um nicht unnötig lange rumzulaufen, also wurden die Räder schließlich doch wieder gesattelt, jedoch mit einer einzigen Tasche und dem Nötigen für den Schwimmvormittag. Ohne Gepäck fühlten wir uns, als hätten wir heute ein e-Bike am Start und so flitzten wir bei gefühlt Puls 60 entspannt zur Bucht. Durch eine schmale steile Straße gelangten wir schließlich an eine Bucht, bei der man sehr gut zu einem Naturbogen schwimmen konnte. Während ich (wie immer) etwas länger mit dem kalten Wasser zu kämpfen habe, waren Katha und Vincent bereits auf den Bogen hochspaziert und beobachteten (angeblich) sogar Delfine... vielleicht wars auch ich (zu dem Zeitpunkt dann auch mal im Wasser).. man weiß es nicht.
Schließlich kehrten wir zum Resteessen noch einmal zu unserer Unterkunft zurück, bevor es dann per Zug nach Pompeji ging. Dort planten wir die Ruinenstätte, die vom Vulkan Vesuv im Jahr 78 nach Christus begraben wurde, zu besuchen. Währendher las Vincent uns einen Brief aus der Zeit des Ausbruchs vor. Der Brief stammt von Plinius dem Jüngeren. Dieser schrieb an den Geschichtsschreiber Tacitus seine Memoiren über seinen Onkel Plinius dem Älteren. Der Onkel (selber Naturforscher) eilte nämlich zu den Fliehenden von Pompeji, als der Vesuv regelrecht explodierte und verunglückte dann dabei selbst. Diese Erzählungen sind heutzutage sehr zentral, was die Erforschung des damaligen Zeitgeschehens betrifft. Der Brief ist komischerweise eher amüsant geschrieben, zum einen vielleicht einfach weil es so aus der Zeit gefallen ist und zum anderen, weil es sich liest wie ein Theaterstück. Es geht los mit:
Er (der Onkel) war in Misenum und befehligte die Flotte. Am 24. August, etwa um 1 Uhr mittags, berichtete ihm meine Mutter, dass sich eine Wolke von ungewöhnlicher Größe und Gestalt zeige. Er hatte in der Sonne gelegen und ein kaltes Bad genommen, sich ausgestreckt und etwas gegessen und nahm wieder seine Arbeit auf. Er ließ sich seine Sandalen bringen und erklomm eine Anhöhe, von der aus man die wundersame Erscheinung beobachten konnte.
Weiter heißt es dann:
Einem bedeutenden Naturforscher wie meinem Onkel erschien dies Ereignis betrachtenswürdig und wichtig. Er ließ ein leichtes Schiff bereit machen und begab sich selbst an Bord. Er bot mir an, mit ihm zu kommen. Ich antwortete, dass ich lieber arbeiten wolle und zufällig hatte er selbst mir etwas gegeben, woran ich schreiben sollte. Er trat soeben aus dem Haus, da er ein Schreiben von Rectina, der Frau des Cascus, erhielt, die über die drohende Gefahr erschrocken war (denn ihr Anwesen lag am Fuße des Vesuv und es gab keine andere Flucht als mit dem Schiff) und sie bat ihn, sie aus der Gefahr zu retten. Darauf änderte er seinen Plan, und was er aus Neugierde begonnen hatte, führte er jetzt mit Edelmut aus.
Der Edelmutige (in heutiger Sprache: Ehrenmann) versuchte also zu helfen und begab sich dabei selbst direkt in Gefahr
Er eilt dorthin, von wo aus andere fliehen, mit geradem Kurs auf die Gefahr zu. So furchtlos, dass er alle Veränderungen und Formen des Unheils so wie er sie wahrnahm, diktierte und aufzeichnen ließ. Schon fiel Asche auf die Schiffe, je näher sie herankamen, desto heißer und dichter; nun auch schwarze und ausgebrannte, vom Feuer geborstene Steine. Eine plötzliche Untiefe und der Auswurf des Berges macht die Küste unzugänglich. Er überlegte, ob er umkehren sollte, so wie es ihm der Steuermann riet, und sagte ihm: „Mit den Tapferen ist das Glück, fahre zu Pomponianus!“
Leider bleibt das Happy End dieser Geschichte aus, denn schließlich kommt der Onkel wie viele weitere Menschen zu jener Zeit im Qualm des Schwefel-Rauch Gemischs ums Leben, oder wie es im Brief heißt:
Gestützt von zwei Sklave erhob er sich und brach darauf wieder zusammen; wie ich vermute durch den dicken Rauch erstickt, weil sich die Luftröhre verschloss, die bei ihm eng und schwach war.
Das Inferno muss wohl wirklich gewaltig gewesen sein. Durch den Ausbruch hat sich sowohl die Küstenlinie um den Vesuv herum, sowie der Vesuv selbst stark verändert. Die Stadt Pompeji wurde dabei vollständig von der Asche begraben (25m unter heutigem Erdboden). Die Stadt wurde dadurch quasi konserviert und im 18. Jahrhundert wieder freigelegt. Wir besuchten diese archäologische Stätte am Nachmittag und liefen durch die menschenleeren Gassen dieser antiken Stadt. Interessant ist vor allem, dass die Straßen im Vergleich zu den Gehwegen deutlich abgesenkt sind und der Zebrastreifen wiederum dann eine erhöhte Folge von Steinen darstellt. Dies wurde erstmal genutzt, um für unseren Beatles Fanboy Vincent das Abbey Road Cover nachzustellen ;-)
Weiter ging es dann durch die Gassen der Kleinstadt. Interessant war hier auch, dass die Stadt mit nur knapp 8000-10.000 Einwohnern über 70 Lokale (Tavernen) verfügte und ein Amphitheater mit einer Kapazität von bis zu 20.000 Zuschauern hervorbrachte. Die Tavernen wurde wohl damals hauptsächlich von der niederen Klasse verwendet, die sich damals auch keine Küche in ihren eigenen 4 Wänden leisten konnte. Das Amphitheater wurde genutzt unter anderem für Gladiatorenkämpfe. Im Jahr 59 n. Chr. kam es wohl sogar bei einem Gladiatorenkampf zu schweren Ausschreitungen mit „Fans“ der benachbarten Stadt Nuceria. Kaiser Nero verbot daraufhin Gladiatorenspiele in dieser Arena für 10 Jahre. Recht amüsant diese Paralellen zu heutigen Fußballspielen, wo die Vereine ebenso mit Geisterspielen abgestraft werden bei Fehlverhalten der Fans. Bei aller Unnötigkeit von Gladiatorenkämpfe haben die Römer immerhin keine Geistergladiatorenkämpfe austragen lassen.
Wir verließen das menschenleere Pompeji und ließen den freien Tag mit erneut Pasta alla Norma und einem Limoncello ausklingen (diese mal mit gebackenen Auberginen). Morgen erwartet uns eine stramme Etappe durch Neapel und wir freuen uns tatsächlich auch schon wieder aufs Fahrrad!
Heute ging es von Salerno über die wunderschöne Amalfiküste nach Sorrent. Ich (Vincent) habe mich schon seit Tagen auf diesen Streckenabschnitt gefreut. Vor vielen Jahren war ich schon mit meiner Familie in Sorrent im Urlaub und von dort sind wir mit dem Linienbus mit abendteuerlichen Tempo die Amalfiküste entlang gefahren - später dazu mehr. Heute wollten wir das ganze etwas gemächlicher angehen!
Etwas verunsichert waren wir, ob die enge Küstenstraße auf dem Fahrrad gut zu fahren ist, entschlossen uns - trotz Warnung in Salerno - es zu probieren. Unsere folgenden Eindrücke sind natürlich unter der besonderen Coronasituation und dem ausbleibenden Tourismus entstanden und sicherlich sieht die Situation zur Hochsaison etwas anders aus:
Nachdem wir den Großraum Salerno verlassen hatten, ging der Verkehr merklich zurück. Teilweise waren die Straßen wirklich erstaunlich leer und wir konnten die wunderschöne sich am Steilhang entlangschlängelnde Küstenstraße genießen. Es war einfach atemberaubend. Nicht zu Unrecht wird dieser Abschnitt auch als schönste Küstenstraße der Welt bezeichnet. Auch unsere Wäsche durfte sich in dieser bezaubernden Kulisse noch vollends trocknen.
Aber auch wir nutzten die Wahnsinnskulisse der Amalfiküste und ließen mehrfach unsere Drohne fliegen und genossen so auch den (digitalisierten) Blick vom Meer aus auf die Küste. Eine Bootsfahrt, die wir gerne noch unternommen hätte, war logistisch mit unserem Gepäck und den Fahrrädern nicht möglich, lohnt sich aber auf jeden Fall!
Am Rande von Amalfi kamen wir durch einen kleinen unscheinbaren Tunnel, der
allerdings etwas seltsam roch. Vincent wusste natürlich sofort den Grund:
Sorry, liebes Schwesterherz, aber hier musst du jetzt durch, wie durch die 47 Kurven von Sorrent nach Amalfi, die wir im Familienurlaub 2004(?) im Linienbus mit einem Affenzahn entlang geheizt sind.
47 Kurven, in denen du erfolgreich dein Frühstück in dir behalten konntest. 47 Kurven voller Konzentration und starrem Blick nach vorne, bevor es im letzten(!!!) Tunnel - auf den letzten Metern vor dem rettenden Ausstieg in Amalfi - im vollbesetzten Bus kein halten mehr gab. Die anschließende Säuberungsaktion im Brunnen von Amalfi hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Immerhin durften wir dank dir mit dem Schiff zurück fahren.
Vor lauter Begeisterung und Staunen merkten wir garnicht, dass wir auch ordentlich Höhenmeter gemacht hatten. Weit über 1400m auf „nur“ 60 km. Diese spürten wir um so deutlicher abends in unseren Oberschenkeln. Wir buchten uns in Sorrent eine Ferienwohnung für zwei Nächte und werden morgen erst einmal einen Pausentag einlegen, um uns Pompeji anzuschauen und etwas unsere Akkus aufzuladen. Den Abend ließen wir mit Limoncello und ABBA ausklingen!
Nachdem wir eine anstrengende Fahrt nach Agropoli hinter uns hatten, war es am nächsten morgen schon garnicht mehr weit bis Paestum.
Vor 3 Wochen hat uns Albrecht (Vincents Papa) wärmstens epfohlen, dort vorbeizuschauen. Kathas Verdacht, dass sich dahinter eine Pilgerreise der Pesto-Verrückten verbirgt war schnell verflogen als wir die Tempelruinen erblickten. Glücklicherweise bot uns Albrecht sogar eine Direktverbindung zu einem Audioguide an (seine Handynummer) und so waren wir bestens aufgehoben. Als er uns schließlich willkommen hieß im antiken Griechenland war ich kurzzeitig verwirrt, ob Vincent seinem Papa das richtig erklärt hatte mit dem Routenplan unserer Radreise. Schnell stellte sich heraus, dass jedoch unsere unzureichende Bildung das Manko darstellte und tatsächlich die Griechen um ca. 500 v. Chr. diese Kolonie erbauten. Unsere mobile Wissensquelle lockte schließlich tatsächlich sogar weitere Wissensdurstige an und so fragte schließlich ein älteres Paar, wo man denn diese Audiodatei herbekommt. Da mussten wir lachend Albrecht kurz unterbrechen, aber luden sie schließlich ein, einfach mitzulauschen. So versammelten wir uns zu fünft um ein auf laut gestelltes Telefon herum und lernten eine ganze Menge, von uraltem Honig, über Steinbauwerke, die eigentlich vom Holzbau inspiriert sind und von der speziellen Art der Säulen, die ihre dickste Stelle garnicht direkt unten haben sondern knapp über dem Auflagepunkt am Boden.
Als Albrecht fragte, an was uns diese Form der Säulen erinnert, ist mir direkt eigentlich nur der klassische Baobab Baum auf Madagaskar eingefallen, aber bevor ich es aussprach dachte ich mir schon, dass das sicher nicht die Lösung griechisch-römischer Kulturfragen ist. Tatsächlich sind es wohl die menschlichen Muskeln, die als Inspirationsquelle dienten, um dem Gebäude eine gewisse Kraftausstrahlung zu geben. Schließlich sind Muskeln auch nicht am dicksten direkt am Ansatz sondern erst kurz dahinter. Diese Theorie musste dann erst einmal mit den frisch aufgepumpten Radlerwaden abgeglichen werden und tatsächlich: Meine Wade schien hier wohl direkt als Vorlage gedient zu haben. (siehe Foto)
Albrecht führte uns weiter durch die Ruinenstätte und erzählte uns von einer antiken Schwimmanlage mit Taucher-Parkour und der Basilica in Paestum, nicht zu verwechseln mit Basilikum im Pesto! Kurze Frage in die Heimat an dieser Stelle: Wie macht letzteres sich auf unserem Balkon, Lisa? ;-)
Wir verließen anschließend die archeologische Pilgerstätte und machten uns auf zu einer weiteren Pilgerstätte, und zwar die der Amateurabenteurer: Decathlon! Schließlich musste dringend für Ersatzgas gesorgt werden und wir wurden absolut nirgendwo sonst fündig. Ein paar Dreck- und Schotterpisten Richtung Landesinnere und schon erstrahlte der quaderförmige Koloss in seiner vollen Pracht. Leider war dann die Auswahl bei den Kochern eher mäßig und hauptsächlich gab es Steck-kartuschen mitsamt klobigen Herd-artigen Gerätschaften. Wir bekamen zum Glück doch noch Schraubkartuschen, wenn auch kleine, aber wurden auf der Suche nach einem weiteren Ersatzkocher nicht fündig. Die Ineffizienz des Aufschraubkochers wird nun mit Masse an Gas kompensiert und bringt uns hoffentlich über die nächste Woche. Außerdem wurden noch Sonnenbrillen upgedated, der verlorene Fahrradhelm von Vincent ersetzt und Katha (leicht unfreiwillig für das stylische Gravelbike) mit einem Fahrradständer beglückt.
Die Route führte uns so langsam in dicht besiedeltes Gebiet, was die Suche nach wilden Schlafplätzen erschwerte. In der Metropolregion Salerno suchten wir deshalb nach einem B&B mit Waschmöglichkeit. Auf Papier wurden wir auch fündig (sogar mit Trockner) und buchten die Unterkunft, jedoch stellte sich dann in der Gebärdensprache-artigen Konversation mit dem rein italienisch sprechenden Hausherren heraus, dass es wohl doch keine Waschmaschine gibt. Kurzerhand wurde eben klassisch per Hand gewaschen, mit dem Waschbecken als Einweichstation in Waschmittel und dem Fußwaschbecken als Scheuer- und Auswringstation. Anschließend wurde der gesamte Balkon mit unseren Kleidungsstücken vollgehängt, jedoch wurde die Wäsche über Nacht nicht so ganz trocken. Immerhin erwartet uns morgen die wunderschöne Amalfi-Küste mitsamt Sonnenschein, da wird man die Wäsche schon noch irgendwo mal kurz raushängen können.
Abschließend darf ich hier noch ein Novum auf unserem Blog vorstellen, ein Gastbeitrag! Und zwar direkt von unserem wahnsinnig kompetenten Audio Guide Albrecht Kliem:
Gastbeitrag: Paestum - Einhalt auf dem Weg nach Norden
Im Jahre 1958 kamen schon der Großvater und die Großmutter eines der Radler an diesen unglaublichen Ort. Auch sie waren von Süden - von Sizilien kommend - nach Norden unterwegs und machten hier mit einer Studentengruppe Halt. An einem Ort der Antikenbegeisterung. Die Begeisterung übertrug sich auf den Gastautor dieses Blogeintrags, einen Sohn des Großvaters. Denn dieser führte mich 1987 bei einem Tagesausflug aus Rom an diesen unglaublichen Ort. Nun habe ich selbst mich sehr gefreut, den drei Radlern, darunter meinem Sohn, heute etwas zu den Tempeln in Paestum weitergeben und zu Gehör bringen zu können. Ja zu Gehör bringen! Die Leser dieses Richtung-Norden-Blogs wissen, dass Hightech die drei technikaffinen Radler auf allen Wegen begleitet - abgesehen von Gaskocherkatuschenproblemlösungen. Wenn spektakuläre Drohnenbegleitflüge an sensationellen Küstenstraßen möglich sind, warum nicht auch klassische und sogar interaktiv bildende Audioguides: So durfte ich heute also mit in Paestum sein. Es war mein siebter Besuch dort. Inzwischen habe ich auf Studienreisen Schüler und auch Kollegen geführt. Diesmal war ich für die drei Radler am lautgestellten Handy direkt vor dem Hera II Tempel präsent.
Hier die Kurzform des Audioguides „Paestum für Radler nach Norden“.
1.Ihr seid hier in Griechenland!
„Südlich von Rom beginnt Griechenland, doch Italien hört nicht auf.“ (Eckart Peterich - Der „Peterich“ war der mehrbändige Kunst und Reiseführer der Bildungshungrigen und Italienbegeisterten der Nachkriegszeit – siehe Großvater!
2. Die Griechen saßen am Mittelmeer wie die Frösche am Teich. (Platon)
Die Blüte der griechischen Stadt Poseidonia (röm. Paestum) war um 560-440 v.Chr. Das römische Reich übernahm große Teile der griechischen Kultur/Religion/Kunst.
3. Der dorische Tempel als Gesamtkunstwerk
Die europäische Baugeschichte kann man nicht verstehen, wenn man sich nicht hiermit beschäftigt hat. Nüchterne Beschreibung des Aufbaus von unten nach oben:
Die Krepis mit 3 Stufen. Ohne Basis - direkt darauf gesetzt: die kannelierten Säulen mit der besonderen Schwellung (Enthasis). Abgeschlossen durch die dorischen Kapitelle mit Echinus (Kissen) und quadratischem Abakus. Diese tragen den Architrav und das Metopen - Triglyphen- Fries. Den Abschluss bildet auf den Querseiten der Giebel mit dem Tympanonfeld.
4. Paestum als besondere griechisch/römische Stadt
Geschichte / Tempelbezirk / Forum / Grab des Tauchers / Labyrinth / Unterirdisches Sacellum mit Honig ....
Es gäbe so viel zu erzählen und bestaunen.
Vielleicht reicht zum Abschluss dieses Blogs ein Goethe. Auf seiner Italienreise kam dieser nämlich auch aus dem Süden kommend Richtung Norden hier vorbei. Nur einige Jahre nach der Wiederentdeckung der in Maleriasümpfen die Jahrhunderte überdauernden Tempel schrieb Goethe in seiner Italienreise:
„Auch ist der mittlere Tempel (Hera II) nach meiner Meinung allen vorzuziehen, was man noch in Sizilien sieht! Es ist die letzte und fast möchte ich sagen herrlichste Idee, die ich nun nordwärts (sic!) vollständig mitnehme.“
Euch drei Radlern wünsche ich auf dem Weg Richtung Norden weiterhin viele herrliche Ideen (auch für das Gaskocherkatuschenproblem), tolle Begegnungen und reiche Erlebnisse aus Natur und Kultur.
Albrecht
Frühmorgens verließen wir schweren Herzens den schönen Schlafspot direkt am Meer. Zum Frühstück gab es dank der leeren Gaskartusche kaltes Porrigde - im Gegensatz zu den Pasta Pesto al knacko sehr gut genießbar. Kaffee gab es keinen, dafür kamen wir zur Abwechslung mal recht früh los und konnten deshalb schon bald in einer Bar halten und unseren ersten Cappuchino genießen. Die Anstiege an diesem Tag steckten wir alle sehr gut weg. Jared meinte sogar, dass ihm seine Beine langsam Angst machen, so wie sie ihn den Berg hinaufziehen. Die Mittagspause war mit nicht geröstetem Brot deutlich unspektakulärer, dafür mussten wir weniger spülen.
Ab nach dem Mittagessen freuten wir uns sehr auf die Pizzeria, die wir uns an dem Abend gönnen wollten. Jared hatte schon eine auf Google Maps herausgesucht, die sich dann aber eher als Schnellimbiss herausstellte und deshalb zogen wir weiter, um eine Pizzeria nach unseren Vorstellungen zu finden. Eine Querstraße weiter fanden wir viele Läden, die sich alle als Café, Pizzeria, Cornetteria und Bar zugleich herausstellten. Da kann man ja nichts falsch machen. Deshalb wählten wir die nächste Gelegenheit, wir hatten nämlich alle großen Hunger. Glücklich darüber, dass wir unsere Fahrräder mit auf die Terrasse nehmen durften und diese von unserem Platz aus im Blickfeld waren, machten wir es uns gemütlich. Sogleich brachte uns der Barbesitzer drei Birre, die wir dankbar entgegennahmen. Jetzt mussten wir nur noch Pizza bestellen. Das stellte sich aber als schwierig heraus. Denn ein Mann namens Mario (65 Jahre alt) fing zugleich an, uns ein italienisches Ständchen auf der Gitarre zu spielen und aus voller Inbrunst zu singen. Der musikbegeisterte Vincent holte seine Gitarre heraus und so spielten Mario und Vincent gemeinsam einen italienischen Song, Mario einen Fuß auf einem Stuhl an unserem Tisch aufgestellt. Jared ließ dazu seine Augenbrauen im Takt wippen und schaukelte hin und her. Zwei Lieder später genossen wir zwar immer noch die Komik der Situation, der Hunger wurde aber immer größer und wir fragten uns langsam, wem die Bar gehörte und ob irgendwer bald zu unserem Tisch kommen und die Bestellung aufnehmen würde. Dem war nicht so. Und Mario war gar nicht zu bremsen. Er spielte einen Song nach dem Anderen (oder war es nur ein Song? Die Lieder gingen für uns fließend ineinander über) und auch mein Klatschen konnte ihn nicht dazu bewegen, uns bestellen zu lassen. Er holte sich ein Glas Rotwein und schon ging es weiter. Auch der Versuch, ihn mit deutschen Klassikern (Über den Wolken) abzuschrecken, schlug fehl. Auch da johlte er leidenschaftlich irgendeinen italienischen Text dazu. Als wir danach fragten, ob es hier Pizza zu bestellen gab, wirkte der (wahrscheinlich) Barbesitzer ganz überrascht. Er überlegte und empfahl uns eine Pizza, die in dieser Gegend wohl Spezialität war. Als wir nach einer Karte fragten, schien es diese nicht zu geben. Auch fiel uns auf, dass der Pizzaofen noch aus war.
Da wir der Sache nicht so ganz trauten, beschlossen wir, doch nochmal weiterzuziehen und uns eine andere Pizzeria zu suchen. Wir waren sehr erleichtert, als der Barbesitzer uns zahlen und gehen ließ. Die Pizzeria, die wir dann fanden, stellte sich als touristisches Lokal heraus mit einem Kellner, der englisch, italienisch, französich sprach und sehr zuvorkommend war. Zwar nicht ganz so authentisch, aber das war uns gerade Recht. Wir genossen vier leckere Pizzen und eine Flasche Weißwein und so war der Abend gerettet. Später stellte sich heraus, dass Vincent seinen Fahrradhelm bei Mario in der Bar liegen lassen hat. Wir wollten aber alle nicht mehr so gerne zurückfahren und so beschlossen wir, den Fahrradhelm Fahrradhelm sein zu lassen. Vincent meinte, der Helm war sowieso schon etwas durch und ein neuer könne auch nicht schaden.
So langsam gewöhnen wir uns an die Nächte am Strand und heute kamen wir auch recht gut frühzeitig aus den Federn, mitunter geschuldet dem Blasendruck dank des spendierten Prosecco am vorigen Tag. Die schlechte Überraschung kam, als Vincent mich bat, den Druckminderer unseres überragenden Primus Kochers zu öffnen. Mein Optimismus, diesen mit gesparter Griffkraft kurz aufzuzwingen war aber schnell verflogen. Irgendwann drehte der Plastikknopf durch, ohne dass die eigentliche Gewindestange sich mitdrehte. Auch die Wasserpumpenzange eines netten Arbeiters neben unserem Schlafplatz half nichts. Es muss wohl leider Sand reingeraten sein. Enttäuscht wurde dann erstmal mit dem Aufschraubkocher das Frühstück gerichtet, während bereits über Lösungen nachgedacht wurde. Schließlich braucht der Aufschraubkocher gefühlt die doppelte Zeit, um das Wasser zum Kochen zu bringen. Als wir auch mit Google keine Primus Händler oder Outdoorsportgeschäfte fanden, beschlossen wir erstmal loszufahren. Los ging’s zuerst mit einem knackigen Anstieg zurück auf die Küstenstraße. Dort erwartete uns ein absolutes Traumpanorama. Da es Sonntag ist, waren auch massig Rennradfahrer unterwegs, die uns oft johlend zugewunken haben. Einer hat sogar kurzzeitig Helfer-Fahrer für Katha am Anstieg gemacht, um ihr wieder den Anschluss zu geben. Dazu aber noch eine genauere Erklärung:
Anfangs haben Vincent und ich regelmäßig einen Abstand auf Kate am Anstieg rausgefahren, unter anderem auch weil wir einen nicht ganz so geschmeidig kleinen 1. Gang besitzen bei unseren Rädern. In letzter Zeit sind die Pausen, die wir uns beim Warten auf Katha gönnen konnten immer kürzer geworden. Was uns aber noch viel fertiger macht, ist dass Katha absolut keine Miene verzieht, während sie die Berge hochstolziert. Bei Vincent und mir hingegen läuft regenduschenartig der Schweiß von den Haaren und wir krächzen und jammern um die Wette. Umso erleichterter waren wir, als wir doch mal ein leises „Puh“ von Katha vernehmen konnten beim heutigen Anstieg auf 530m. Dort liegt das Städtchen San Giovanni a Piro, wo wir uns mal wieder Cappuchini bei ein paar Runden Skat gönnten. Insgesamt sind wir aber alle recht erstaunt, wie wir die Höhenmeter mittlerweile wegstecken können. Die heutige Etappe forderte mal wieder knapp über 1000 Höhenmeter von uns ab, aber wir fühlen uns schon deutlich besser als nach Etappe 2 in Italien.
Die Abfahrt hinter San Giovanni a Piro war ein einziger Traum. Die Straße schlängelte sich in Serpentinen wieder runter ans Meer. Diese Abfahrt wurde auch versucht mit der Drohne mitzufilmen (Footage dazu gibts sobald wir mal wieder an WLAN kommen, das Aldi Paket M ist uns dafür zu heilig ;-) .
Als wir wieder am Meer ankamen machten wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz. Wir suchten auch nach Campingplätzen, unter anderem weil Waschen dringend nötig wird und wir die Hoffnung haben, dort Gaskartuschen erwerben zu können. Das Problem ist jedoch, dass die meisten hier immer noch geschlossen sind. Daher wurde mal wieder der Strand abgecheckt an einer Stelle, an der sich die Hauptstraße wieder etwas davon entfernt. Der eigentlich sehr touristische Strand mit vereinzelten Bars an der Playa und Liegegelegenheiten entpuppte sich wiedermal als ein gefundener Schatz. Nur der Besitzer einer kleinen Strandbar hier war anzutreffen. Ich zeigte ihm unseren mittlerweile vorgefertigten Text, in dem wir auf italienisch nach einer Schlafgelegenheit fragen und ob es in Ordnung ist, hier am Strand zu nächtigen. Etwas getrieben überflog er schnell den Text und meinte nur mit einer Geste: Si, no problemo. Ich fragte ihn noch kurz nach Aqua, woraufhin er nochmal den Wasserhahn für uns öffnete und wir genügend Wasser zapfen konnten zum kochen und waschen. Der Barbesitzer spendierte uns dann sogar noch 2 gekühlte Wasserflaschen aus der Bar und einen Eistee. Wir stürzten uns aber zuerst mit unseren verschwitzten Körpern - wahrscheinlich salziger als das Meer selbst - ins Wasser und feierten diese geniale Location.
Anschließend wurden die Pflichten übernommen. Während Vincent in einem Aufblasplanschbecken, das wir hier unter der Strandbar fanden, die Wäsche bestmöglich säuberte, spannte Katha bereits die Trockenleine und ich kümmerte mich ums essen. Daher hier mein
Rezept des Tages: Pasta Pesto al knacko
Zutaten:
- 500 g Pasta
- Schlechter Aufschraubkocher
- Ungefähr 5% übriges Gas in der Kartusche
- Möglichst wenig Wasser, das alle Nudeln bedeckt
Zubereitung:
Die Kochflamme unter dem Topf möglichst gut isolieren mit Alufolie oder ähnlichem, um die Wärmetransfereffizienz zu erhöhen. Das Nudelwasser damit langsam erwärmen. Die langsam versiegende Flamme des Kochers, aufgrund der sich neigenden Gasmenge, weit vor dem Siedepunkt des Nudelwassers, gibt den spätesten Zeitpunkt an, um die Nudeln schnell ins Wasser zu werfen. Wenn die Flamme schließlich erlischt, kann der Topf auf einen Untersetzer gestellt werden und nun heißt es: Geduld! Wenn der Hunger zu groß wird, das lauwarme Nudelwasser abkippen und die leicht eingeweichten Nudeln mit einem Glas Pesto verrühren. Serviert werden muss nicht, 3 Plastikgabeln aus’m gleichen Topf reichen aus. Es sollte an ausreichend Trinkwasser gedacht werden, um das Essen auch gut runterzubekommen.
Guten Appetit!!
Rezensionen zu diesem Rezept waren leider nicht so gut von meinen Mitstreitern, aber wir müssen uns jetzt wohl etwas gedulden, bis wir an Gaskartuschen kommen. Der nächste Decathlon ist noch 110 km entfernt. Wir freuen uns daher umso mehr, dass mein Onkel Hansi uns ein Essen im Restaurant spendieren möchte, dem wir morgen hoffentlich nachgehen werden.
Heute entdeckten wir durch Zufall am Straßenrand ein Hinweisschild auf den Arcomagno. Gottseidank waren es uns die 100 Höhenmeter rauf und runter wert, denn dieser Naturbogen ist wirklich außergewöhnlich schön.
Vom benachbarten Strand, der zur Hochsaison (und in Nicht-Corona-Zeiten) wahrscheinlich sehr sehr voll ist, gibt es einen steilen Pfad in die nächste Bucht und man kann sogar über den Bogen laufen. Wir entschieden uns trotzdem zur nächsten Bucht zu Schwimmen. Für geübte Schwimmer*innen ist das sehr gut möglich (siehe Route rechts im Bild). Vom Wasser aus hat man einen wunderschönen Blick über die Bucht und auf den Arcomagno.
Weiter ging es auf schönen Küstenstraßen Richtung Maratea. Dort angekommen suchten wir den nächsten Supermarkt auf und kauften für ein Abendessen ein. Der Supermarktbesitzer beschenkte und noch mit einem Prosecco und einem Fruchtsaft und empfahl uns eine Höhle am Strand unten für die Nacht. Die gingen wir natürlich sofort inspizieren. Leider hatte der freundliche Supermarktbesitzer vergessen zu erwähnen, dass die Höhle wegen Steinschlags gesperrt ist. Auch einige Männer, die gerade dabei waren ihre Strandbar für den Ansturm deutscher Touristen zu wappnen, rieten uns dringend davon ab in der Höhle zu schlafen, hatten aber nichts dagegen, dass wir bei ihrer Strandbar schlafen. Obwohl der Strand direkt unterhalb von Maratea lag, war sehr wenig los. Nur die vielen Hütten und Strandbars ließen vermuten, dass hier wahrscheinlich bald schon wieder die Hölle los sein wird. (Siehe Vergleichsbild GoogleMaps)
Wir füllten unsere leeren Tanks mit einem Gemüseeintopf. Schon im Zelten stellten wir begeistert fest, dass das Wifi der Strandbar schon scharfgestellt war, und so gönnten Jared und Vincent sich noch die erste Nacht der NBA-Playoffs - was für ein Luxus!
Am Tag nach der bergigen Etappe zogen wir früh morgens los. Anfangs kamen wir dank der ebenen Strecke super voran, wir merkten aber, dass es doch besser für uns ist, das Tempo am Anfang doch noch etwas runterzuschrauben, um unseren Körpern Zeit zu geben, sich ans Radfahren zu gewöhnen. Einen Tag später setzten wir diesen Vorsatz in die Tat um und setzten uns nachmittags um 16:00 Uhr in die erste Bar, die sich anbot. Dort wurden über 4 Stunden hinweg 5 Cappuchini bestellt, 1 Kugel Eis, 6 Birre und 3 Limoncelli. Einige andere Gäste kamen und gingen, darunter auch 3 Italiener in abenteuerlich bunten Fahrradklamotten, doch oft waren wir auch die einzigen Gäste. So ließen wir es uns gut gehen und spielten mal wieder unzählige Runden Skat. Die Italienerin, die in der Bar arbeitete segnete unser Vorhaben, am Strand zu schlafen, ab und so fanden wir 100m weiter einen perfekt geeigneten Schlafplatz mit einem klaren Süßwasserzufluss zum Meer und Büsche, die uns verstecken.
18, 20, 22 ...
Am nächsten morgen wurde Jared mit „Happy Birthday“ geweckt. Er freute sich zwar sichtlich über die Geste, schob dann aber noch ein „Heute kann es regnen...“ selbst hinterher und hüpfte dazu wild durchs Zelt, weil er meinte, dass das Lied ein bisschen „fetziger“ sei. Kurz Porridge für drei hungrige Mäuler gekocht, Kaffee dazu und nach einem sehr gemächlichen Start in den Tag fuhren wir los. Das Geburtstagskind entschied nach einigem Fahren, dass eine Barpause gefällig war, und so wurde es auch gemacht. Einen Extra Alnatura Schoko-Haferriegel bekam Jared zur Feier des Tages zur Stärkung. Normalerweise werden die Premiumriegel geschont und nur in dringenden Fällen ausgepackt, weil wir nur 25 Stück in Deutschland eingekauft haben und diese in Italien nicht erhältlich sind. Für nichtdringende Fälle müssen Billigriegel herhalten, die wir auch immer dabei haben. Auf Nachfrage, was als Abendessen genehm ist, hat sich Jared zuerst Nudeln mit Pesto in der reinen Form gewünscht, ohne Schnickschnack wie Olivenöl, Tomaten, Oliven, Knoblauch oder sonstiges. Wir einigten uns dann aber auf ein leckeres Pilzrisotto und ließen den Abend ausklingen am Strand in einer versteckten Bucht. Der Abend fühlte sich an, als würde man zusammen eine Serie schauen, denn Jared erzählte von seiner Zeit in Amerika, in der er Autos tiefgelegt hat, einen Segelflugschein gemacht hat und in 2000m Höhe bei guter Laune einen Apfelbutzen aus dem Flugzeugfenster geworfen hat.
Nach dem ersten sehr euphorischen Start in Italien folgte die wohl bis dato härteste Etappe, die wir leider auch etwas falsch einschätzten. Die erkämpften Höhenmeter am Vortag wurden zunächst viel bremsend, schlaglochausweichend und ohne viel Streckenkilometer wieder hergeschenkt. Danach ging es recht eben, aber immernoch auf abenteuerlichen Straßen hinter Palmi weiter. Hat man mal eben kurz nochmal beim fahren am Handy überprüft, ob die Route passt, so wurde man im nächsten Moment von einem Vulkankrater-artigem Loch in der Straße und dem darauffolgenden Balanceakt wieder unfreiwillig an die Straßenqualität erinnert. Zudem waren die Straßen teils extrem zugemüllt, wie hier auf dem Bild zu sehen ist. Es ist also auch nicht immer nur alles schöne Küstenstraße hier.
Hinter San Ferdinando ging es dann in die Berge, die uns einiges abverlangten. Wir mussten feststellen, dass die häufige Ansammlung von Trinkwasserbrunnen bei der ersten Etappe eher die Ausnahme waren. Da zudem noch die Hotels, Bars und Läden in den meisten Dörfer, die wir an diesem Tag kreuzten fast komplett geschlossen waren, fanden wir uns schließlich ohne Wasser und durstig an einem erneuten Anstieg und hinterfragten so langsam den Sinn der Sache und ob wir unser Tagesziel überhaupt noch erreichen. Unsere mittlerweile kaum vollständigen Sätze und Lachanfälle deuteten darauf hin, dass wir einfach schon mächtig durch waren. Als wir auch am Bahnhof nicht fündig wurden, gelangten wir doch noch zu einem geöffneten Supermarkt. Selten haben wir uns darüber so gefreut. Es wurde in 2 Etappen eingekauft. Die erste bestand aus 2 Wasserflaschen und einer Cola Flasche. Danach konnte dann wieder mit geschärften Sinnen der eigentliche Einkauf erfolgen.
Und hiermit eröffnen wir noch eine kleine Unterkategorie, in denen wir Gepäckstücke, die besondere Dienste geleistet haben, würdigen wollen:
Gepäckstück des Tages:
An Technik fehlt es uns sicher nicht. An Ladekabeln leider schon... für kurze Zeit. Wir hatten 2 iPhone Ladekabel dabei, jedoch hat das meine bereits sehr früh den Geist aufgegeben. Vincent‘s Kabel hat daher erstmal die Hauptversorgung übernommen. Dieses Kabel ging jedoch auch bei Etappe 1 in die Knie. Die Suche nach einem Laden, der so ein Kabel verkauft war schwieriger als vermutet. Aus der Not heraus und mit der Hoffnung dass sich die Störstelle irgendwo mitten im Kabel befindet wurden die beiden Verbindungsstücke erstmal gekappt. Mit dem Messer wurde etwas mühsam erstmal ordentlich abisoliert und anschließend wieder zusammen gezwirbelt. Die Konstruktion wurde dann erstmal beim schwächsten Glied der iPhone Kette (Kathas iPhone SE erster Generation) getestet. Wenn auch instabil, diese Konstruktion konnte tatsächlich (wenn auch sehr anfällig bei leichten Berührungen) die Handys wieder einigermaßen laden und die Route konnte weiter getrackt werden. Hinter Palmi sind wir schließlich für Ersatz fündig geworden.